
BMF reagiert auf Rechtsprechung: Steuerentstehung bei Teilleistungen
Zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung im Baugewerbe hat der Steuergesetzgeber im Jahr 2001 einen Steuerabzug für Bauleistungen eingeführt: Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger), ist Letzterer verpflichtet, von der Gegenleistung direkt eine Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Kann der Leistende dem Leistungsempfänger jedoch eine Freistellungsbescheinigung vorlegen, entfällt die Pflicht zum Steuerabzug.
In einem neuen Schreiben hat sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun ausführlich zur Ausstellung von Freistellungsbescheinigungen geäußert. Danach gilt:
Der Leistende kann die Freistellungsbescheinigung bei dem für ihn zuständigen Finanzamt formlos beantragen.
Das Finanzamt darf eine Freistellungsbescheinigung wegen Gefährdung des Steueranspruchs insbesondere dann versagen, wenn der Leistende seine Anzeigepflicht bei der Gemeinde verletzt, er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (z.B. durch Nichtbeantwortung von Fragen zur steuerlichen Ersterfassung) oder ein im Ausland ansässiger Leistender den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nicht durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde erbringt. Die Ausstellung kann auch versagt werden, wenn nachhaltig oder wiederholt Steuerrückstände bestehen.
Die Finanzämter sollen eine Freistellungsbescheinigung erteilen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit kein zu sichernder Steueranspruch besteht. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn voraussichtlich gar kein Gewinn erzielt wird, wie das z.B. bei Existenzgründern anfangs vorkommt.
Die Bescheinigung kann entweder zeitraumbezogen (längstens für einen Zeitraum von drei Jahren) oder auftragsbezogen erteilt werden. Das BMF weist darauf hin, dass auch eine auftragsbezogene Freistellungsbescheinigung auf einen Gültigkeitszeitraum befristet werden muss.
Insbesondere bei einem Leistenden, der gegenüber der Finanzverwaltung erstmals in Erscheinung tritt, soll die Freistellungsbescheinigung in der Regel nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmalig beurteilt werden kann.
In den ersten drei Jahren nach Neugründung eines Unternehmens soll vom Finanzamt vorrangig die Erteilung einer auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigung geprüft werden, wenn nur unzureichende Informationen über das Zahlungs- und Erklärungsverhalten des neugegründeten Unternehmens vorliegen, Anhaltspunkte bestehen, dass es sich bei dem neugegründeten Unternehmen um ein Nachfolgeunternehmen eines steuerlich unzuverlässigen Unternehmens handelt oder die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden.
Hinweis: Lehnt das Finanzamt die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung ab, kann gegen den Ablehnungsbescheid mit einem Einspruch vorgegangen werden.Information für: Unternehmerzum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 12/2022)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein aktuelles Schreiben zur Entstehung der Umsatzsteuer bei Teilleistungen herausgegeben. In diesem Zusammenhang wurde der Umsatzsteuer-Anwendungserlass angepasst.
Vorausgegangen war eine vom Bundesfinanzhof (BFH) bereits im Jahr 2019 getroffene Entscheidung, dass Unternehmer sich bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) berufen können. Diese Entscheidung ist jedoch aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2022 überholt. Danach ist die Steuerentstehung nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt. Entsprechend begründet die Vereinbarung einer Ratenzahlung keine Uneinbringlichkeit. Diese Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung nun in ihre Handlungsmaximen übernommen.
Das BMF führt in seinem Schreiben aus, dass der nationale Begriff der Teilleistung zumindest im Regelfall den Begrifflichkeiten der MwStSystRL entspreche, da es sich bei der wirtschaftlich teilbaren Leistung um eine Leistung mit einem kontinuierlichen oder wiederkehrenden Charakter handle. Zudem liege dann keine Teilleistung vor, wenn es sich um eine einmalige Leistung gegen Ratenzahlung handle. Dadurch entfielen die Zweifel an einer zutreffenden Umsetzung der MwStSystRL durch den nationalen Teilleistungsbegriff, die zuvor aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 entstanden seien.
Hinweis: Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 04/2023)