Haftungsbescheid: Finanzamt darf eine Haftung im Rechtsbehelfsverfahren neu begründen
"Wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, hat auch das Recht, Steuern zu sparen", sagte einst Helmut Schmidt. Doch in der Praxis sieht es oftmals anders aus: Mühevoll ausgedachten und ausgeklügelten Steuergestaltungen begegnet das Finanzamt häufig mit dem Einwand, es handele sich um einen sogenannten Gestaltungsmissbrauch. Ein solcher liegt nach Gesetzeslage vor, wenn eine Gestaltung - ohne wirtschaftlichen Hintergrund - ausschließlich deshalb gewählt wurde, um Steuern zu sparen. Tröstlich ist, dass die Finanzämter mit ihrem Einwand vor Gericht vielfach scheitern.
Doch manchmal gewinnt auch das Finanzamt, wie ein Fall vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) zeigt: Im dortigen Klagesachverhalt erzielte eine zu einem Bankkonzern gehörende Kapitalgesellschaft einen Gewinn aus einem Flugzeugverkauf in Millionenhöhe. Um diesen nicht versteuern zu müssen, hatte man sich folgende Konstruktion ausgedacht: Mittels eines ausgeklügelten Systems aus Wandelanleihen und Beteiligungsverkäufen generierten die Beteiligten einen steuerlichen Verlust. Denn aus den Wandelanleihen resultierten Verluste, die grundsätzlich das Einkommen einer Kapitalgesellschaft mindern, während die gegenläufigen Gewinne aus den Beteiligungsverkäufen steuerfrei waren. In finanzieller Hinsicht glichen sich die Geschäfte aus.
Genau das war auch der Grund, warum die Richter am FG den Fall als unangemessene Gestaltung einordneten. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung sei der Gesamtplan ausschließlich mit dem Zweck der steuerlichen Verlustgenerierung entworfen worden. Ein wirtschaftlicher Hintergrund sei aufgrund des resultierenden "Nullsummenspiels" nicht erkennbar gewesen.
Hinweis: Das Verfahren ist aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) der Klägerin vor dem Bundesgerichtshof (BFH) anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob auch der BFH einen Gestaltungsmissbrauch erkennen wird.Information für: GmbH-Gesellschafter/-GFzum Thema: Körperschaftsteuer(aus: Ausgabe 08/2021)
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG) hat entschieden, dass eine Gemeinde, die eine Anlegebrücke errichtet und an eine den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) betreibende Gesellschaft vermietet, als Unternehmerin handeln kann. In diesem Zusammenhang kann sie den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten geltend machen. Zuschüsse, die die Gemeinde für die Errichtung der Brücke auf Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erhält, sind echte Zuschüsse.
Im Urteilsfall klagte eine Gemeinde, die eine Anlegebrücke an eine Betreibergesellschaft zum Zwecke des ÖPNV vermietete. Für die Renovierung dieser Brücke erhielt sie teilweise Zuschüsse von dem Kreis, in dessen Gebiet sich die Gemeinde befand, und teilweise von einer Gesellschaft, die ihre Zahlungen auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erbrachte.
Das FG stellte klar, dass die Zuschüsse der Gesellschaft kein Entgelt für eine Leistung darstellten und damit nicht der Umsatzsteuer unterlägen (echte Zuschüsse). Die Gesellschaft sei nicht originärer Träger des ÖPNV und erbringe die Gelder auf Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Die Revision ist im Hinblick auf die Auslegungen zur Abgrenzung zwischen echtem und unechtem Zuschuss vor dem Bundesfinanzhof anhängig.
Hinweis: Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist unter weiteren Voraussetzungen dann umsatzsteuerlicher Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Insofern kann sie den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen geltend machen. Es gibt jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten aufgrund der möglichen Handlungsvarianten (hoheitlich oder privatrechtlich) und bei steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen besteht die Notwendigkeit einer sachgerechten Aufteilung. Wir beraten Sie gern.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 10/2021)
Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur sogenannten Wertpapierleihe kann das wirtschaftliche Eigentum bei zivilrechtlich an einen Entleiher übereigneten Aktien ausnahmsweise beim Verleiher der Aktien verbleiben, wenn dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition zukommt.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Urteilsgrundsätze mit Schreiben vom 09.07.2021 aufgegriffen und die Verwaltungssicht auf die wirtschaftliche Zurechnung von Wertpapieren dargestellt. Flankierend hat das BMF auch seine Aussagen zur materiell-rechtlichen Behandlung sogenannter Cum/Cum-Transaktionen angepasst.
Hinweis: Bei Cum/Cum-Transaktionen handelt es sich um Kombinationen von Aktienverkäufen und -rückkäufen rund um einen Dividendenstichtag. Diese Transaktionen werden genutzt, damit ausländische Besitzer deutscher Aktien dem Kapitalertragsteuerabzug von 15 % entgehen können: Der ausländische Anteilseigner überträgt seine Aktien zunächst kurz vor dem Dividendenstichtag auf einen Dritten, der dann die Dividende bezieht. Kurz nach der Ausschüttung erwirbt der Anteilseigner die Aktien samt Dividende zurück. Der Dritte lässt sich die auf die Dividende abzuführende Kapitalertragsteuer anrechnen und teilt diese Steuerersparnis mit dem ausländischen Anleger.
Bislang hatte das BMF lediglich erklärt, dass mit der Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Entleihers von einem Übergang des zivilrechtlichen - und grundsätzlich auch des wirtschaftlichen - Eigentums auszugehen ist. In seinem neuen Schreiben hat das BMF diese Aussage nun überarbeitet und erklärt, dass Wirtschaftsgüter zwar grundsätzlich dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen sind, hiervon jedoch abzuweichen ist, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über die Aktien ausübt. Bei Cum/Cum-Gestaltungen geht das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien demnach zwar auf den Entleiher über, allerdings bewirken die anlässlich der Transaktion abgeschlossenen Verträge und die Art ihres Vollzugs, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien übergeht. Denn es erfolgt kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum an den Wertpapieren üblicherweise verbunden sind. Der Empfänger der Aktien trägt keine Kursrisiken.
Bei Cum/Cum-Gestaltungen muss neben der Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums zudem geprüft werden, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt. Die Umgehung von Kapitalertragsteuer ist missbräuchlich und führt zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. In der Folge muss der Sachverhalt so beurteilt werden, als ob eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre.Information für: Kapitalanlegerzum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 11/2021)
Das Finanzamt kann den Geschäftsführer einer GmbH als deren gesetzlichen Vertreter in Haftung nehmen. Diese Möglichkeit besteht, sofern Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung des Geschäftsführers nicht (rechtzeitig) erfüllt werden. Darüber hinaus haftet derjenige für verkürzte Steuern, der eine Steuerhinterziehung begeht. In einem vom Finanzgericht Hessen (FG) entschiedenen Streitfall ging es unter anderem um nichtabgeführte Körperschaftsteuer. Fraglich war, ob Festsetzungsverjährung eintritt, wenn das Finanzamt die Haftungsnorm im Rechtsbehelfsverfahren auswechselt.
Der Kläger war Geschäftsführer einer Restaurant-GmbH. Die Körperschaftsteuererklärung 2004 wurde im Oktober 2005 abgegeben; der Bescheid erging im September 2006. Bei einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass in den Jahren 2000 bis 2004 Steuern hinterzogen worden waren. Die GmbH wurde nach einem Insolvenzverfahren wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Als das Einspruchsverfahren der GmbH nicht fortgeführt und das Strafverfahren gegen den Kläger eingestellt wurde, nahm das Finanzamt Letzteren mit Haftungsbescheid (September 2016) in Haftung. Der Kläger erhob Einspruch. Mit Bescheid vom September 2017 reduzierte das Finanzamt die Haftungssumme und stützte die Haftungsinanspruchnahme nunmehr auf eine andere Vorschrift. Im Oktober 2017 wurde der Bescheid erneut geändert. Nach Ansicht des Klägers war die Festsetzungsfrist aber bereits abgelaufen.
Die Klage vor dem FG war nicht erfolgreich. Die Festsetzungsfrist für den Erlass des Haftungsbescheids vom September 2016 begann mit Ablauf des Jahres 2006. Sie beträgt bei Steuerhinterziehung zehn Jahre und endet daher erst mit Ablauf des Jahres 2016. In diesem Jahr wurde der angefochtene Haftungsbescheid erlassen. Nicht ausschlaggebend ist, dass sich das Finanzamt im ursprünglichen Bescheid auf eine andere Haftungsnorm gestützt und diese erst im Jahr 2017 im Rahmen des Einspruchsverfahrens ausgetauscht hatte. Entscheidend ist allein, wann das Finanzamt den ursprünglichen Haftungsbescheid erlassen hat.Information für: GmbH-Gesellschafter/-GFzum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 01/2022)
In großen Städten sind Parkplätze Mangelware. Falls der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, zusätzliche Parkplätze anzumieten, kostet dies meist viel Geld. Häufig besteht diese Möglichkeit jedoch gar nicht. Der Arbeitgeber kann dann versuchen, den Mitarbeitern den öffentlichen Personennahverkehr schmackhaft zu machen, zum Beispiel indem er ein verbilligtes Jobticket zur Verfügung stellt. Aber unterliegt dieses dann eigentlich der Lohnsteuer? Darüber musste das Finanzgericht Hessen (FG) entscheiden.
Die Arbeitgeberin stellte ihren Mitarbeitern kostenlose Parkplätze zur Verfügung. Aufgrund einer erhöhten Mitarbeiterzahl ergab sich jedoch eine Parkplatznot. Im Jahr 2011 erarbeitete sie ein Parkraumbewirtschaftungskonzept, welches in einer Mobilitätskarte mündete. Die Arbeitgeberin bot in diesem Rahmen ein sogenanntes Jobticket an. Mit dem Verkehrsverbund handelte sie einen niedrigeren Preis aus, der an die Beschäftigten weitergegeben wurde. Das von den Beschäftigten zu zahlende Entgelt wurde monatlich über die Lohnabrechnung eingezogen. Das Finanzamt sah diesen Preisvorteil als steuerpflichtigen Sachbezug an und erließ einen Lohnsteuerhaftungsbescheid gegenüber der Klägerin.
Deren Klage vor dem FG war erfolgreich. Das verbilligte Jobticket stellt keinen lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn dar, so dass auch keine Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers in Betracht kommt. Beim Jobticket handelt es sich nicht um Bezüge oder Vorteile, die für die Beschäftigung gewährt werden und durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind. Preisvorteile, die ein Dritter den Arbeitnehmern einräumt, sind nicht allein deshalb Arbeitslohn, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabatte mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen (Rabatten), die die Arbeitnehmer von dritter Seite erhalten, könnte zwar den Schluss zulassen, dass die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn ist. Das ist aber nicht zwingend. Ausschlaggebend ist, ob die Zuwendung des Dritten Prämie oder Belohnung für eine Leistung darstellt, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt. Die Klägerin wollte durch das Jobticket nur die angespannte Parkplatzsituation entschärfen und die Mitarbeiter zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs motivieren. Im Übrigen waren die vorher kostenlos zur Verfügung gestellten Parkplätze auch kein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug.Information für: Arbeitgeber und Arbeitnehmerzum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 06/2021)
Die Arbeit im Homeoffice ist für viele Arbeitnehmer im zweiten Jahr der Corona-Pandemie zur Routine geworden. Vielen wurde aber erst mit der Zeit bewusst, dass die Arbeit in den eigenen vier Wänden auch zusätzliche Kosten mit sich bringt. Zwar entfallen die Fahrten zum Betrieb, im Gegenzug steigen aber die Nebenkosten für die Wohnung bzw. das Haus und für die Anschaffung von Arbeitsmitteln.
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer rückt daher die Frage in den Fokus, welche Kosten der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer steuerfrei erstatten darf bzw. welche "Rahmenbedingungen" der Arbeitgeber für das Homeoffice finanzieren darf, ohne dass hierfür Lohnsteuer anfällt. Hierbei gilt Folgendes:
Arbeitsmittel: Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeitsmittel wie beispielsweise Notebooks, Drucker oder Büromöbel unentgeltlich zur beruflichen Nutzung, wird hierdurch in aller Regel kein steuerpflichtiger Arbeitslohn ausgelöst. Die Arbeitsmittel müssen jedoch im Eigentum des Arbeitgebers verbleiben. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber die Arbeitsmittel selbst kauft oder der Arbeitnehmer diese mit Kostenerstattung durch den Arbeitgeber anschafft. Betriebliche Telekommunikations- und Datenverarbeitungsgeräte wie beispielsweise Tablet-PCs dürfen in der Regel sogar privat vom Arbeitnehmer mitgenutzt werden, ohne dass die Steuerfreiheit entfällt.
Hinweis: Es empfiehlt sich für beide Arbeitsparteien, die Regelungen zur Gestellung von Arbeitsmitteln bzw. zur Kostenerstattung stets vertraglich festzuhalten, denn ein solches Vertragswerk kann für die Durchsetzung der Steuerfreiheit gegenüber dem Finanzamt nützlich sein.
Raumkosten: Nicht steuerfrei erstatten können Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer (z.B. anteilige Miete, Nebenkosten). Der Arbeitnehmer kann diese Kosten aber zumindest als Werbungskosten in seiner Einkommensteuerveranlagung abziehen, sofern der Raum als häusliches Arbeitszimmer anerkannt und entsprechend genutzt wird. Hierzu muss das Zimmer unter anderem räumlich abgeschlossen sein. Wer nicht über ein anerkennungswürdiges Arbeitszimmer verfügt (z.B. lediglich über eine Arbeitsecke im privaten Wohnzimmer), darf stattdessen die neue Homeoffice-Pauschale von 5 EUR pro Tag, maximal 600 EUR pro Jahr, als Werbungskosten geltend machen. Diese Pauschale darf aber ebenfalls nicht steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden.
Telekommunikationskosten: Arbeitet der Arbeitnehmer regelmäßig oder dauerhaft im Homeoffice, kann der Arbeitgeber ihm die anfallenden Telefon- und Internetkosten pauschal steuerfrei erstatten - und zwar mit bis zu 20 % der Rechnungsbeträge, maximal 20 EUR im Monat. Information für: Arbeitgeber und Arbeitnehmerzum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 07/2021)