Kirchenaustritt: Was passiert bei falschen Angaben zur Religionszugehörigkeit?
Das Bundesfinanzministerium hat ein Schreiben zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets zum 01.04.2021 bzw. 01.07.2021 veröffentlicht. Nachdem bereits 2019 die erste Stufe des Digitalpakets umgesetzt worden ist, steht nun der Start der wesentlich bedeutsameren zweiten Stufe des Digitalpakets kurz bevor. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass ist umfangreich angepasst worden und enthält zahlreiche Klarstellungen, Detailregelungen und Beispiele für Standardfälle.
Im Fokus der Änderungen steht die Fortentwicklung der bisherigen Versandhandelsregelung zum innergemeinschaftlichen Fernverkehr. Der Ort der Lieferung wird bei der Lieferung an einen Abnehmerkreis, der keinen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen muss, weiterhin dort sein, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet (Ausnahme: geringfügige Bagatellregelung). Zur bisherigen Regelung ergeben sich jedoch zwei entscheidende Varianten. Ab dem 01.07.2021 gibt es eine geringere Lieferschwelle. Es wird dann eine für alle Mitgliedstaaten summarische Umsatzschwelle in Höhe von 10.000 EUR zur Anwendung kommen. Diese Umsatzschwelle gilt für die Summe aller unter diese Regelung fallenden Umsätze (nicht mehr pro Land).
Bisher musste sich der leistende Unternehmer in dem jeweiligen Bestimmungsmitgliedsstaat registrieren und besteuern lassen. Mit der neuen Regelung wird die bisher wahlweise nur für bestimmte sonstige Leistungen geltende "Mini-One-Stop-Shop-Regelung" auf diese Leistungen erweitert (sog. "One-Stop-Shop-Regelung" bzw. OSS-Regelung). Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ermöglicht bereits seit dem 01.04.2021 eine Registrierung für die neuen Besteuerungsverfahren. Allerdings erfolgt diese nicht unmittelbar über die Website des BZSt, sondern online über ein Portal, über das Kunden mit dem BZSt Daten austauschen können.
Zur Sicherstellung des Steueraufkommens in der EU wurden weitere Änderungen vorgenommen. Dazu zählen zum Beispiel neue Regelungen für die Verkäufe in andere Mitgliedstaaten an Leistungsempfänger, die ohne gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftreten, neue Vorschriften für Lieferungen, bei denen die Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet in die EU eingeführt werden, sowie Regelungen zu einem fiktiven Reihengeschäft, sofern Gegenstände unter Einbeziehung einer elektronischen Plattform geliefert werden.
Hinweis: Insbesondere deutsche Unternehmer müssen sich nun intensiv mit den neuen Regelungen zum innergemeinschaftlichen Fernverkauf auseinandersetzen, da die bisherigen hohen Lieferschwellen (mindestens 35.000 EUR pro Land) nicht mehr gelten.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 07/2021)
Wenn Sie Ihren Keller oder Dachboden ausmisten und Ihren Hausrat auf Verkaufsplattformen im Internet anbieten, müssen Sie die hierbei erzielten Erlöse in der Regel nicht versteuern, denn als Privatverkäufer entfaltet Ihre Tätigkeit keine steuerliche Relevanz.
Hinweis: Bei nichtalltäglichen Gegenständen wie beispielsweise Schmuck muss für die Steuerfreiheit des Gewinns allerdings der Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist (Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung) abgewartet werden.
Werden Internetverkäufe immer weiter professionalisiert, kann die Schwelle zu einem steuerpflichtigen gewerblichen Handel überschritten werden. Dieser Fall tritt ein, wenn nicht nur eigene ausrangierte Alltagsgegenstände wie Kleidung, Smartphones oder PCs verkauft werden, sondern ein planmäßiger An- und Verkauf stattfindet und die Anzahl der Verkäufe und die Höhe der Umsätze in die Höhe schnellt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zur Unterscheidung zwischen privatem und gewerblichem Handeln die ursprüngliche Kaufabsicht des Verkäufers entscheidend: Werden Gegenstände privat und ohne Veräußerungsabsicht gekauft und später wieder verkauft, handelt es sich in der Regel um steuerlich irrelevante Privatgeschäfte. Hieran ändert in diesem Fall auch der Umstand nichts, dass der Verkauf über Internetplattformen abgewickelt wird, die hauptsächlich von gewerblichen Händlern genutzt werden. Anders ist der Fall jedoch gelagert, wenn Gegenstände eigens erworben werden, um sie anschließend auf Verkaufsplattformen gewinnbringend weiterzuveräußern. Dieses Vorgehen spricht für eine gewerbliche Tätigkeit.
Das Finanzamt wird auch dann eine Gewerblichkeit annehmen, wenn ein Verkäufer größere Mengen an gleichartigen, neuen Gegenständen verkauft. Denn in diesem Fall liegt es fern, dass die Gegenstände ursprünglich für den privaten Hausgebrauch angeschafft wurden.
Hinweis: Wenn Sie als Onlinehändler die Merkmale der Gewerblichkeit erfüllen, sollten Sie steuerlich frühzeitig mit offenen Karten spielen und Ihre Umsätze und Gewinne gegenüber dem Fiskus angeben. Auf die Anonymität des Internets zu vertrauen, empfiehlt sich nicht, denn die Finanzbehörden verfolgen die Verkaufsaktivitäten von Internethändlern mittlerweile über spezielle Analyseprogramme, mit denen sich Verkäufe im großen Stil nachvollziehen lassen. Werden gewerbliche Händler im Nachhinein enttarnt, drohen ihnen erhebliche Steuernachzahlungen und Zinsforderungen sowie ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 08/2021)
Wer ein Pflegekind aufnimmt, stellt sich einer bedeutenden Aufgabe. Das Kind wird in den eigenen Haushalt aufgenommen und es wird eine familiäre Beziehung hergestellt. Auch finanzrechtlich gibt es gewisse Parallelen. So kann man für ein Pflegekind ebenso Kindergeld erhalten wie für ein leibliches Kind. Im Streitfall stellte sich die Frage, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis auch gegenüber einem volljährigen behinderten Bruder bestehen kann. Darüber zu entscheiden hatte das Finanzgericht des Saarlandes (FG).
Die Klägerin ist die Schwester von A, der von Geburt an schwerbehindert war. A verstarb im Jahr 2018. Er hatte Eingliederungshilfe sowie eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 742,05 EUR monatlich bezogen. Bis zum Tod der Mutter im Jahr 2017 wurde A von dieser betreut. Sie bezog dafür Kindergeld. Seit einer Erkrankung der Mutter im Jahr 2004 kümmerte sich zunehmend auch die Klägerin um A. Nach dem Tod der Mutter wurde sie gesetzliche Betreuerin. Zwar lebte A in einer Wohneinrichtung, jedoch war die Klägerin für sein materielles Wohl (z.B. Einkäufe und Arztbesuche) zuständig. Der Antrag der Klägerin auf Kindergeld für A wurde abgelehnt.
Ihre Klage vor dem FG war allerdings erfolgreich. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht für ein Pflegekind, mit dem der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist. Ein "familienähnliches Band" setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht. Ein "familienähnliches Band" mit einem bereits Volljährigen lässt sich hiernach nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen. Ein solches sei unter Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nur anzunehmen, wenn die Behinderung so schwer sei, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspreche. Dies war bei A der Fall.
Auch die weiteren notwendigen Voraussetzungen waren im Streitfall gegeben, insbesondere war A in den Haushalt der Klägerin aufgenommen, und zwar nicht zu Erwerbszwecken. Der Mittelpunkt der gemeinsamen Lebensinteressen lag im Haushalt der Klägerin, da die Aufenthalte des A dort regelmäßig waren und über bloße Besuche hinausgingen.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 10/2021)
In einem neuen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften durch eine GmbH von der Umsatzsteuer befreit ist. Gleiches gilt auch für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.
Im Urteilsfall betrieb die klagende GmbH eine Vielzahl von Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose, darunter Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in kommunaler Trägerschaft, Erstaufnahmeeinrichtungen verschiedener Bundesländer und eine städtische Obdachlosenunterkunft. Die GmbH verantwortete in der Regel die Ausstattung der jeweiligen Unterkunft, deren Reinigung und personelle Besetzung sowie die soziale Betreuung der untergebrachten Personen. Das Finanzamt behandelte die Umsätze aus dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte als umsatzsteuerpflichtig.
Der BFH leitete jedoch eine Steuerbefreiung der Umsätze direkt aus dem Europarecht ab. Demnach sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die der betreffende Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt hat.
Diese Voraussetzung war hier gegeben. Denn die GmbH war als Einrichtung mit (im Wesentlichen) sozialem Charakter anerkannt, insbesondere weil die Übernahme des Betriebs von Flüchtlingsunterkünften durch private Dritte in verschiedenen Bundesländern durch spezifische Vorschriften geregelt ist. Für den BFH war hierbei unerheblich, dass die GmbH ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen und Obdachlosen, sondern gegenüber den Trägern der Unterkünfte (den Ländern und Kommunen) erbrachte.
Bei dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte handelte es sich zudem um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge und Obdachlosen unerlässlich sind, da die in den Unterkünften aufgenommenen Menschen wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Sie gehören damit zum begünstigten Personenkreis. Für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich war nach Auffassung des Gerichts hingegen insbesondere die asylrechtliche Funktion der Flüchtlingsunterkünfte und der mit einer Obdachlosenunterkunft verfolgte Zweck der Gefahrenabwehr.
Hinweis: Der BFH konnte über die Klage nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache zurück an das Finanzgericht (FG), da die GmbH neben dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte noch weitere Umsätze getätigt hatte, zu denen noch Feststellungen des FG nachzuholen waren.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 11/2021)
Wenn man in Deutschland einer Religionsgemeinschaft angehört, die Kirchensteuer erheben darf, wird diese direkt mit der Lohn- bzw. Einkommensteuer einbehalten. Das kann abhängig vom Einkommen ein nicht unwesentlicher Betrag sein. Immer mehr Menschen wollen sich diese Zahlung "sparen" und treten daher aus der Kirche aus. Warum nach einem Kirchenaustritt unbedingt darauf zu achten ist, dass in der Steuererklärung keine Kirchenmitgliedschaft mehr angegeben wird, veranschaulicht eine Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (FG).
Der Kläger erzielte im Jahr 2017 gewerbliche Beteiligungseinkünfte. Bereits am 22.12.2014 war er durch Erklärung gegenüber dem Standesamt aus der Kirche ausgetreten. Die Meldebehörde teilte dem Bundeszentralamt für Steuern den Austritt am 23.12.2014 mit Wirkung zum 01.01.2015 mit. Trotzdem gab der Kläger in der zusammen mit seinem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 an, dass er Mitglied der evangelischen Kirche sei. Das Finanzamt setzte daraufhin für das Jahr 2017 Kirchensteuer in Höhe von 9.790 EUR fest. Der Bescheid wurde an den Steuerberater versandt und bestandskräftig.
Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg. Die bestandskräftig gewordene Kirchensteuerfestsetzung kann nicht geändert werden. Eine Änderung des Bescheids aufgrund einer Datenübermittlung durch Dritte ist nicht möglich. Voraussetzung für die Anwendung dieser Korrekturvorschrift ist, dass übermittelte Daten "bei der Steuerfestsetzung" nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Des Weiteren muss es sich um für die Steuerfestsetzung übermittelte Daten handeln. Beides war hier nicht der Fall.
In der Einkommensteuererklärung des Klägers war angegeben, dass er einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft angehörte.
Andere Änderungsvorschriften waren ebenfalls nicht anwendbar, denn es handelte sich nicht um einen offensichtlichen Fehler, den das Finanzamt hätte erkennen können. Obwohl der Kirchenaustritt eine neue Information für das Finanzamt war und erst nach dem Erlass des Bescheids bekannt wurde, kann keine Änderung erfolgen. Denn den Kläger trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Kirchenaustritts. Er hatte die Angaben in der Steuererklärung grob fahrlässig nicht überprüft.
Hinweis: Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt, so dass der Bundesfinanzhof nun das letzte Wort in der Sache hat.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 01/2022)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 11.03.2021 die Nichtbeanstandungsregelung für Werklieferungen verlängert.
Die Finanzverwaltung hatte bereits mit Schreiben vom 01.10.2020 den Begriff der Werklieferung neu definiert. Hintergrund war, dass der Bundesfinanzhof (BFH) 2013 zum Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen entschieden hatte, dass Werklieferungen vorliegen, sobald zusätzlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird. Zudem stellte der BFH klar, dass es für die Annahme einer Werklieferung nicht ausreiche, dass eigene Gegenstände des Leistenden be- oder verarbeitet würden. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass ist in diesem Zusammenhang geändert worden.
Hinsichtlich bis vor dem 01.01.2021 entstandener gesetzlicher Umsatzsteuer - auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs und Fälle des § 13b Umsatzsteuergesetz - wird es nicht beanstandet, wenn die Unternehmer Lieferungen entsprechend der bisherigen Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses behandelt haben.
Mit dem aktuellen BMF-Schreiben wird diese Nichtbeanstandungsregelung für bis vor dem 01.07.2021 entstandene Umsatzsteuer verlängert.
Hinweis: Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 06/2021)