Beweisaufnahme des Finanzgerichts: Überraschendes Absehen von Zeugenvernehmung begründet Verfahrensfehler

Als Steuerpflichtigem kann es einem passieren, dass man Fristen versäumt. Das ist natürlich umso ärgerlicher, wenn man einen Antrag zu seinen Gunsten stellen wollte. Trägt man aber an dem Versäumnis der Frist keine oder nur geringe Schuld, kann man einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stellen. Das bedeutet, man wird so gestellt, als hätte man die Frist nicht versäumt. Ein solcher Antrag muss aber schnellstmöglich gestellt werden. Das Finanzgericht Münster (FG) musste entscheiden, ob das in einem konkreten Fall gegeben war. Der Kläger übermittelte seine Einkommensteuererklärung elektronisch per ELSTER. In der Anlage "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" machte er bei "Absetzung für Abnutzung für Gebäude" Kreuze bei "linear" und "wie 2016". Weiter unten trug er in den Feldern "Werbungskosten" und "Summe abzugsfähiger Werbungskosten" ohne weitere Erläuterung jeweils einen Betrag von ca. 2.300 EUR ein. Das Finanzamt erkannte aber nur rund 750 EUR an. Das war die Höhe der Abschreibung im Vorjahr. In den Erläuterungen zum Bescheid merkte das Finanzamt an, dass die Abschreibung entsprechend der gespeicherten Daten berücksichtigt worden sei. Nach Ablauf der Einspruchsfrist legte der Kläger Einspruch ein. Er beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da für ihn die Abweichung beim Ansatz der Werbungskosten aus dem Bescheid nicht zu erkennen gewesen sei. Die Klage vor dem FG war nicht erfolgreich. Somit ist keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Der Kläger hat die Einspruchsfrist schuldhaft versäumt. Das Finanzamt hatte die Abweichung aufgeführt und erläutert. Es genügte seine Begründung, dass es die Abschreibung lediglich in Höhe von 750 EUR berücksichtigt habe. Die Behörde war nicht verpflichtet, zu erläutern, warum der Betrag von 2.300 EUR nicht anerkannt wurde. Der Irrtum des Klägers beim Ausfüllen des Formulars war für das Finanzamt nicht als solcher erkennbar. Es sah vielmehr so aus, als hätte der Kläger eine Abschreibung in Höhe von 2.300 EUR beantragt. Das Finanzamt hatte dem Kläger im Einkommensteuerbescheid die Besteuerungsgrundlagen mitgeteilt, so dass diesem bei der Prüfung des Steuerbescheids die Differenz hätte auffallen müssen. Er hatte jedoch keine Umstände vorgetragen, die ihn an einer Prüfung des Bescheids gehindert hätten.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2021)
Allen Verfahrensbeteiligten muss die Gelegenheit gegeben werden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern und ihre Rechtsansichten vorzutragen, denn jeder hat vor Gericht einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Missachtet ein Finanzgericht (FG) diesen Grundsatz, liegt ein Verfahrensfehler vor, so dass der Bundesfinanzhof (BFH) das finanzgerichtliche Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen kann. Ein neuer BFH-Beschluss zeigt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird, wenn ein Gericht in einem Beweisbeschluss zunächst eine Zeugenvernehmung anordnet und eine spätere Entscheidung über die Art und Weise der Vernehmung ankündigt, dann jedoch im Zuge der Klageabweisung überraschend erklärt, dass es von einer Zeugenvernehmung Abstand genommen habe, weil der Zeuge aufgrund eines Auslandsaufenthalts unerreichbar sei. Im zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerseite eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt und dem FG mitgeteilt, dass sich einer der zu vernehmenden Zeugen in Thailand aufhalte und aufgrund der Reisebeschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen könne. Das Gericht hatte die Terminverlegung abgelehnt und darauf verwiesen, dass zu einem späteren Zeitpunkt - nach der Vernehmung anderer Zeugen - darüber entschieden werde, wie die Vernehmung des Auslandszeugen vonstattengehen solle. Dann jedoch erging das klageabweisende Urteil. Der BFH hob die finanzgerichtliche Entscheidung nun auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das FG. Die Bundesrichter sahen durch das Vorgehen des FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör als verletzt an, da das FG bis zum Urteilsspruch nicht zu erkennen gegeben hatte, dass es die Vernehmung des Auslandszeugen gar nicht mehr beabsichtigte. Hinweis: Durch einen Beweisbeschluss entsteht eine Verfahrenslage, auf welche die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. Sie können also grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Das FG hatte diese Grundsätze mit seiner direkten Klageabweisung unbeachtet gelassen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 02/2022)

Zurück