Corona-Pandemie: Gericht darf mündliche Verhandlung mit Schutzkonzept durchführen

Wenn Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, erhalten sie einen gemeinsamen Einkommensteuerbescheid. Es kann dann sein, dass für den einen Ehegatten offenkundig alles richtig veranlagt wurde, während der andere mit seinem Teil der Veranlagung nicht einverstanden ist. Dann gilt es, Einspruch einzulegen. Falls der Einspruch später zurückgenommen werden soll, kann sich die Frage stellen, ob dies nur der Ehegatte tun kann, der den Einspruch eingelegt hat, oder auch der andere Ehegatte. Vor dem Finanzgericht Köln (FG) wurde ein solcher Fall verhandelt. Für den Kläger wurde auf den 31.12.2008 ein verbleibender Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften festgestellt. In den Jahren 2009 bis 2011 erklärten die zusammen veranlagten Klagenden keine mit diesen Verlusten verrechenbare Erträge. Gegen eine antragsgemäße Festsetzung legten sie in allen Jahren Einspruch ein - mit Hinweis auf ein die Verfassungsmäßigkeit der vertikalen Verlustausgleichsbeschränkung betreffendes finanzgerichtliches Verfahren. Mit der Einkommensteuererklärung 2013 legte der Kläger dann erstmals Erträgnisaufstellungen für die Jahre 2009 bis 2013 vor. Hier waren dann auch verrechnungsfähige Kapitalerträge aus 2011 aufgeführt. Der Kläger beantragte "entsprechende Verrechnung von Altverlusten und Steuererstattung". Im Jahr 2015 wurden die Klagenden vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass das Verfahren, welches die Einsprüche begründete, vom Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen worden sei. Der Kläger nahm daraufhin per Fax - auch unter dem Briefkopf der Klägerin - die diesbezüglichen Einsprüche zurück. Jedoch begehrte der Kläger weiterhin die Verlustverrechnung für das Jahr 2011. Das Finanzamt wandte dagegen ein, dass der Einspruch wirksam zurückgenommen wurde. Die Klage vor dem FG war nicht erfolgreich. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 wurde wirksam zurückgenommen. Eine Teilrücknahme des Einspruchs ist nicht zulässig. Die Rücknahme des Einspruchs hat den Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge. Im Streitfall hat der Kläger durch ein von ihm unterschriebenes Fax formgerecht die Einsprüche zurückgenommen. Die Rücknahmeerklärung konnte aus Sicht des Finanzamts als Erklärungsempfänger nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt unter Beachtung des Empfängerhorizonts auch inhaltlich nur in dem Sinne verstanden werden, dass der die Einkommensteuer 2011 betreffende Einspruch unbedingt und in vollem Umfang zurückgenommen werden sollte.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2021)
Jeder Verfahrensbeteiligte hat vor Gericht einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Das heißt, ihm muss die Gelegenheit gegeben werden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern und seine Rechtsansichten vorzutragen. Missachtet ein Finanzgericht (FG) diesen Grundsatz, liegt ein Verfahrensfehler vor, so dass der Bundesfinanzhof (BFH) das finanzgerichtliche Urteil aufheben kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann unter anderem verletzt sein, wenn ein Gericht eine mündliche Verhandlung durchführt, obwohl ein Verfahrensbeteiligter einen Antrag auf Terminverlegung (aus erheblichen Gründen) gestellt hat. Ein neuer Fall des BFH zeigt, dass einem coronabedingten Terminverlegungsantrag aber nicht zwingend stattgegeben werden muss, wenn ein Gericht ein tragfähiges Schutzkonzept bei der mündlichen Verhandlung anwendet. Im zugrundeliegenden Fall hatte eine Klägerin Anfang 2021 eine (erneute) Verlegung der mündlichen Verhandlung beantragt und damit argumentiert, dass bei der Anreise mit dem öffentlichen Personennahverkehr erhebliche Gesundheitsgefahren bestünden. Zugleich erklärte sie, dass ihr Prozessbevollmächtigter in höherem Alter, schwer vorerkrankt und noch ungeimpft sei. Das FG München lehnte die erneute Verlegung des Termins jedoch ab und verwies auf das umfangreiche gerichtliche Schutzkonzept (Einsatz eines Luftreinigungsgeräts, regelmäßiges Lüften, Desinfizieren der Tische, Nutzung von Plexiglasabtrennungen). Das Gericht sah daher keine besondere Ansteckungsgefahr und führte die Verhandlung in Abwesenheit der Klägerseite durch. Der BFH wies die dagegen gerichtete Beschwerde nun zurück und erklärte, dass eine schwere Vorerkrankung nicht per se eine Terminverlegung rechtfertigt. Zwar hatte die Verhandlung auf dem Höhepunkt der sogenannten zweiten Welle der Corona-Pandemie stattgefunden, gleichwohl aber hatte das FG bei seiner Ablehnung zulässigerweise auf das ergriffene Schutzkonzept im Gerichtsgebäude verwiesen. Der Klägerseite war zudem durchaus zuzumuten gewesen, für die Anreise auf einen Pkw oder ein Taxi umzusteigen. Der BFH verwies weiter darauf, dass ein Prozessbevollmächtigter nach der Bundesrechtsanwaltsordnung angehalten ist, bei längerer gesundheitlicher Beeinträchtigung für eine Vertretung zu sorgen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 02/2022)

Zurück