Nichtoperative Unternehmen: Versagung des Vorsteuerabzugs bei Unterschreiten jährlicher Umsatzschwellen?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein Urteil zur Versagung des Vorsteuerabzugs für sogenannte nichtoperative oder ruhende Unternehmen erlassen. Im Streitfall ging es um ein italienisches Unternehmen, welches drei Jahre lang eine bestimmte Umsatzschwelle nicht erreichte und deshalb als nichtoperativ eingestuft wurde. Nach italienischem Recht führte dies zur Versagung des Vorsteuerabzugs.
Das Unternehmen war in der Erzeugung und Vermarktung von Wein tätig. Die italienische Steuerbehörde stellte der Gesellschaft einen Steuerbescheid mit dem Hinweis zu, dass sie für die Besteuerungszeiträume 2006 bis 2008 als nichtoperatives Unternehmen gelte, da ihre mehrwertsteuerpflichtigen Ausgangsumsätze unter einem bestimmten Schwellenwert gelegen hätten.
Nach erfolgloser Klageerhebung wurde der Fall an den EuGH verwiesen, mit der Frage, inwieweit das italienische Recht mit der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) vereinbar sei. Der EuGH hat entschieden, dass die Eigenschaft der Steuerpflichtigkeit nach der MwStSystRL nicht von einer gesetzten Umsatzschwelle abhängig sein kann. Zentrales Merkmal sei vielmehr, dass überhaupt eine wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers vorliege. Diese liege auch bei einem Unterschreiten der Umsatzschwelle vor. Einen Ausschluss der Steuerpflichtigkeit wegen Nichterreichens einer Umsatzschwelle lasse die MwStSystRL nicht zu.
Zudem entschied das Gericht, dass die MwStSystRL sowie die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Verhältnismäßigkeit der nationalen Regelung entgegenstehen. Ein Vorsteuerabzug könne nicht versagt werden, wenn die steuerbaren Ausgangsumsätze durch eine festgelegte Umsatzschwelle als zu gering erachtet würden.
Der Zweck der italienischen Regelung, nämlich die Missbrauchsbekämpfung, sei zwar ein anerkanntes Ziel der MwStSystRL. Eine Abweichung vom geltenden Recht müsse jedoch objektiv begründet werden, woran es im Streitfall mangele. Der Ausschluss von nichtoperativen Unternehmen beruhe lediglich auf der Vermutung, dass diese Unternehmen missbräuchlich handeln könnten.
Hinweis: Als nichtoperatives Unternehmen hat man in Italien keine Möglichkeit der Vorsteuererstattung, sondern kann diese nur in nachfolgende Besteuerungszeiträume vortragen und mit der dort anfallenden Steuerlast verrechnen. Sofern man über drei Besteuerungszeiträume als nichtoperativ eingestuft wurde, ist auch der Vortrag nicht mehr möglich.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 07/2024)
Das Finanzgericht Münster (FG) hatte im Fall einer Insolvenz darüber zu entscheiden, ob Vorsteuerberichtigungsansprüche im Rahmen der Masseverwaltung entstanden sind und sie damit die als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld erhöht haben.
Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter der X-GmbH, ihrer Holding sowie ihrer Schwestergesellschaft G bestellt. Vor Insolvenzeröffnung bezog die X-GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende Eingangsleistungen und nahm in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen vor Insolvenzeröffnung den Vorsteuerabzug in Anspruch. Die Eingangsrechnungen waren jeweils an die GmbH als Leistungsempfängerin adressiert. Die Bezahlung erfolgte aber durch die zwischenzeitlich ebenfalls insolvente Holdinggesellschaft sowie die Schwestergesellschaft G. Der Insolvenzverwalter forderte die an die leistenden Unternehmer gezahlten Beträge im Wege der Insolvenzanfechtung als unentgeltliche Leistung zurück. Die leistenden Unternehmer zahlten die entsprechenden Beträge im Jahr 2015 an die Insolvenzmasse der Holdinggesellschaft bzw. der Schwestergesellschaft G zurück. Damit lebte der Anspruch auf Zahlung gegen die GmbH wieder auf und konnte nun zur Insolvenztabelle der GmbH angemeldet werden.
Das Finanzamt erließ für 2015 eine Steuerberechnung, die als Grundlage für eine Anmeldung der Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle dienen sollte. Darin forderte es die an die GmbH gezahlte Vorsteuer zurück. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte jedoch nicht. Im weiteren Verlauf teilte das Finanzamt dem Kläger die sofortige Aufhebung der Steuerberechnung mit und erließ gleichzeitig einen Umsatzsteuerbescheid.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG stellte klar, dass das Finanzamt die Steuerberechnung aufheben und den Umsatzsteuerbescheid erlassen durfte. Eine Steuerberechnung sei lediglich eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter. Zudem habe das Finanzamt den Vorsteuerabzug dem Grunde und der Höhe nach zutreffend berichtigt. Die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung seien bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen. Darüber hinaus seien die Berichtigungsansprüche im Rahmen der Masseverwaltung entstanden und hätten daher die als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2015 erhöht.
Hinweis: Die Revision beim Bundesfinanzhof wurde zugelassen und auch schon eingelegt.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 08/2022)
Am 01.01.2024 sind neue EU-Transparenzvorschriften in Kraft getreten, die der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug in den EU-Mitgliedstaaten dienen. Durch das neue Regelwerk sollen die Steuerbehörden der Staaten auf Zahlungsinformationen zugreifen können. Dabei liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem elektronischen Handel, der für Mehrwertsteuerverstöße und -betrug besonders anfällig ist, denn einige Online-Verkäufer vertreiben ihre Waren und Dienstleistungen an EU-Verbraucher ohne eigene physische Präsenz in einem EU-Mitgliedstaat; sie sind zudem nirgendwo in der EU für Mehrwertsteuerzwecke registriert oder melden einen zu geringen Wert ihrer Online-Verkäufe. Die Mitgliedstaaten benötigten daher stärkere Instrumente, um rechtswidriges Verhalten aufdecken zu können.
Das neue System nutzt nun die Schlüsselrolle von Zahlungsdienstleistern wie Banken, E-Geld-Instituten, Zahlungsinstituten und Postgirodiensten, über die zusammen mehr als 90 % der Zahlungen für Online-Käufe in der EU erfolgen. Ab dem 01.01.2024 müssen diese Dienstleister die Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen überwachen. Ab dem 01.04.2024 sind sie verpflichtet, den Verwaltungen der EU-Mitgliedstaaten Informationen über diejenigen Zahlungsempfänger zu übermitteln, die mehr als 25 grenzüberschreitende Zahlungen pro Quartal erhalten. Diese Informationen werden dann in einer neuen europäischen Datenbank erfasst.
Alle Informationen werden anschließend den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt. Für die Staaten wird es dadurch deutlich leichter werden, Daten zu analysieren und Online-Verkäufer auszumachen, die ihren Mehrwertsteuerverpflichtungen nicht nachkommen.Information für: Unternehmerzum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 03/2024)