Scheingeschäfte: Vorsteuerabzug europarechtlich versagt

Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach dem nationalen Zivilrecht kann für sich allein betrachtet nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs führen. Das gilt jedoch nur dann, wenn seitens des nationalen Gerichts geprüft und sichergestellt wurde, dass der Vorgang nicht als fiktiver Umsatz einzustufen ist oder dass ein tatsächlich bewirkter Umsatz nicht auf einer Mehrwertsteuerhinterziehung oder einem Rechtsmissbrauch beruht. Grundsätzlich darf der Vorsteuerabzug nicht versagt werden, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Materielle Voraussetzung ist beispielsweise die tatsächliche Leistungsbewirkung. Wird die Leistung tatsächlich erbracht, ist die Rechtsunwirksamkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts unbeachtlich. Steht hingegen fest, dass der Vorsteuerabzug im Rahmen einer Steuerhinterziehung geltend gemacht wurde, ist dieser zu versagen. Die Beweislast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung obliegt der Finanzverwaltung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem polnischen Vorabentscheidungsverfahren die Voraussetzungen der Versagung des Vorsteuerabzugs präzisiert. Im Urteilsfall stellte ein Unternehmer dem Kläger eine Rechnung über einen Markenverkauf aus. Der Kläger zog daraus die Vorsteuer. Die polnische Finanzverwaltung versagte jedoch den Vorsteuerabzug wegen der zivilrechtlichen Nichtigkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts, denn es handle sich um ein Scheingeschäft. Dagegen wehrte sich der Kläger und obsiegte in erster Instanz, da nach Auffassung des Gerichts das Vorliegen eines Scheingeschäfts nicht nachgewiesen war. Nach der hiergegen gerichteten Beschwerde der Finanzverwaltung zweifelte das polnische oberste Verwaltungsgericht daran, ob das Recht auf Vorsteuerabzug allein wegen der zivilrechtlichen Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts versagt werden kann, und befragte dazu den EuGH. Der EuGH entschied, dass die Versagung des Vorsteuerabzugs allein aufgrund der angenommenen zivilrechtlichen Nichtigkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts neutralitätswidrig ist. Die nationale Finanzbehörde trägt die Darlegungslast für die eine Versagung des Vorsteuerabzugs begründenden Tatsachen. Hinweis: Der EuGH bestätigt mit diesem Urteil auch die bisherige deutsche Rechtslage.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 12/2023)
Die Umsatzsteuer entsteht in der Regel mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die jeweilige Leistung ausgeführt worden ist (Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten). Die Steuerschuld wird in diesem Fall also bereits auf Beträge berechnet, die das Unternehmen noch gar nicht erhalten hat. Hinweis: Da diese sogenannte Soll-Besteuerung die Liquidität bedrohen kann, dürfen kleinere Unternehmen eine Sonderregelung nutzen und die Umsatzsteuer unter gewissen Voraussetzung auf Antrag nach vereinnahmten Entgelten berechnen (Ist-Besteuerung). Die Steuerschuld entsteht dann erst, wenn das Entgelt tatsächlich vereinnahmt ist. Nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Leistungen im Fall der Soll-Besteuerung auch dann bereits mit Leistungsausführung versteuert werden, wenn das Entgelt aufgrund einer Vereinbarung mit dem Leistungsempfänger unter Bedingungen und zeitverzögert fällig wird. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Generalunternehmer eine Photovoltaikanlage errichtet und mit dem Kunden vereinbart, dass das Entgelt hierfür nur insoweit zur Zahlung fällig wird, wie es vom Kunden aus den laufenden Einnahmen der Stromeinspeisung beglichen werden kann. Im Jahr 2011 stellte das Generalunternehmen eine erste Rechnung über 450.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer aus. Der Kunde zahlte daraufhin nur 77.350 EUR, da nur in dieser Höhe Einspeisevergütungen geflossen waren. Das Generalunternehmen wollte seine Umsatzsteuer für 2011 auf Grundlage des tatsächlich vereinnahmten Betrags berechnen, obgleich es an die Soll-Versteuerung gebunden war. Das Finanzamt ging allerdings davon aus, dass die Umsatzsteuer auf die vollen 450.000 EUR zu zahlen war. Der BFH gab dem Finanzamt recht und urteilte, dass die Umsatzsteuer auch dann bei Leistungsausführung entsteht (ohne Steuerberichtigung), wenn der Unternehmer mit dem Kunden vereinbart, dass das Entgelt nur insoweit geschuldet wird, als es durch Einnahmen aus der Stromeinspeisung beglichen werden kann. Aus dem EU-Recht folgt, dass die Soll-Besteuerung nicht dergestalt einzuschränken ist, dass der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat. Hinweis: Im Ergebnis musste der Generalunternehmer also für das Jahr 2011 eine Umsatzsteuer von 85.500 EUR (19 % auf 450.000 EUR) an das Finanzamt abführen, obwohl er für die zugrunde liegende Leistung nur 77.350 EUR vereinnahmt hatte.     Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 06/2023)
Das am 01.01.2023 in Kraft getretene Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) verpflichtet Betreiber digitaler Plattformen unter bestimmten Voraussetzungen zur Weitergabe von Informationen über die Einkünfte ihrer Nutzer (Anbieter auf der Plattform) an die Steuerbehörden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) befasst sich nun in einem umfangreichen Schreiben mit Anwendungsfragen. Dieses Schreiben ist mittlerweile auch in englischer Sprache verfügbar. Ziel des PStTG ist es, einen besseren Zugang zu Informationen zu ermöglichen, insbesondere zu Einkünften, die unter Verwendung digitaler Plattformen erzielt werden. Dadurch soll die Steuerhinterziehung durch Nutzer digitaler Plattformen bekämpft werden. Die Meldepflicht trifft alle Betreiber digitaler Plattformen. Das BMF-Schreiben befasst sich unter anderem mit Begriffsbestimmungen, Verfahrensvorschriften sowie den Melde- und Sorgfaltspflichten. Es stellt klar, dass auch verbundene Rechtsträger des Plattformbetreibers Anbieter sein können. Es gibt daher für konzerninterne digitale Plattformen grundsätzlich keine Ausnahme von der Meldepflicht. Zudem geht das BMF darauf ein, wann eine relevante Tätigkeit vorliegt. Darunter fallen unter anderem persönliche Dienstleistungen, die auch Beratungs- und Vermittlungsleistungen umfassen, ungeachtet dessen, ob diese über das Internet automatisiert, über das Internet persönlich oder in Präsenz von einem Berater oder Vermittler erbracht werden. Der Verkauf von Waren stellt ebenfalls eine relevante Tätigkeit dar. Hierunter soll auch das Anbieten von Gutscheinen fallen. Bedeutsam sind die Ausführungen des BMF zu den Korrekturpflichten bei unrichtigen Meldungen. Hier besteht für die Plattformbetreiber ein erhebliches Risiko, da bereits die Übermittlung von nichtmeldepflichtigen Informationen eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt. Das BMF-Schreiben trägt zu einer rechtssicheren Anwendung des PStTG bei. Allerdings wurden einige praxisrelevante Fragestellungen nicht oder nur sehr lückenhaft beantwortet. Auch wurden Einzelheiten des Auskunftsverfahrens nicht konkretisiert. Hinweis: Betroffene Plattformen sollten genau prüfen, ob sie einer Meldepflicht unterliegen und welche Informationen genau zu melden sind. Der erste Meldetermin (für den Meldezeitraum 2023) ist der 31.01.2024.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 07/2023)
Gewinne aus der Aufgabe oder Veräußerung eines Gewerbebetriebs können mit einem ermäßigten Einkommensteuersatz versteuert werden. Ist der Betriebsinhaber mindestens 55 Jahre alt oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, kann der Gewinn zudem um einen Steuerfreibetrag von bis zu 45.000 EUR gemindert werden. Dieser Freibetrag wird vom Finanzamt nur einmal im Leben gewährt. Welche Anforderungen an den Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit zu stellen sind, hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Fall untersucht, in dem eine selbständige Friseurmeisterin die Hauptniederlassung ihres Betriebs infolge gesundheitlicher Beschwerden veräußert hatte. In einer Zweigstelle ihres Salons war sie jedoch noch weitere eineinhalb Jahre beruflich tätig. Nach einem Gutachten zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung, das vor der Veräußerung angefertigt worden war, konnte sie in ihrem Beruf nur noch stundenweise tätig sein. Diese Einschränkung galt voraussichtlich mindestens drei Jahre. Die Deutsche Rentenversicherung Nord (DRV) hatte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt, später allerdings Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt und eine Umschulung finanziert. Das Versorgungsamt hatte der Frau eine Bescheinigung ausgestellt, wonach sie ein behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 sei. Das Finanzamt lehnte eine Freibetragsgewährung für den Veräußerungsgewinn ab und erklärte, dass keine dauerhafte Berufsunfähigkeit vorliege, da die Frau ihren Beruf nach der Veräußerung noch weitere eineinhalb Jahre ausgeübt habe. Für die Anerkennung einer dauerhaften Berufsunfähigkeit verlangte das Amt zudem ein formalisiertes Nachweisverfahren (z.B. durch eine amtsärztliche Bescheinigung). Der BFH entschied jedoch, dass die dauerhafte Berufsunfähigkeit nach den allgemeinen Beweisregeln festgestellt werden kann und es hierfür keines formalisierten Nachweises bedarf. Nach den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ist jemand berufsunfähig, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung - im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von gesunden Personen mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen - auf weniger als sechs Stunden täglich gesunken ist. Der Nachweis einer Berufsfähigkeit kann nicht nur durch amtsärztliche Bescheinigungen oder Bescheide der Sozialversicherungsträger erbracht werden, sondern auch durch andere Nachweise - wie beispielsweise fachärztliche Bescheinigungen oder Äußerungen von sonstigen Medizinern. Hinweis: Für die Praxis folgt aus dieser Entscheidung, dass die Anerkennung einer dauernden Berufsunfähigkeit keinen starren Regeln folgt, sondern einer breitgefächerten Nachweiserbringung zugänglich ist. Betroffene Steuerzahler, die ihren Betrieb veräußern wollen, sollten ihr Krankheitsbild für steuerliche Zwecke möglichst umfassend dokumentieren und sämtliche Gutachten, Stellungnahmen und Bescheinigungen der konsultierten Mediziner aufbewahren.Information für: Unternehmerzum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 09/2023)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Einführungsschreiben zur Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds veröffentlicht und in diesem Zusammenhang den Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Mit dem Fondsstandortgesetz wurde die Steuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds zum 01.07.2021 in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen. Ziel dieser Regelung war es, den Fondsstandort Deutschland auch durch steuerliche Maßnahmen attraktiver zu gestalten und insbesondere Start-up-Unternehmen mit wettbewerbsfähigen Finanzierungsmöglichkeiten über Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern. Sowohl Venture-Capital- als auch Private-Equity-Fonds sind jedoch regelmäßig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass die Belastung mit Umsatzsteuer bis Mitte 2021 einen Nachteil im Rahmen der Finanzierung darstellte. Das Fondsstandortgesetz enthält allerdings keine Begriffsdefinition von Wagniskapitalfonds. Dies führte in der Praxis oft zu Rechtsunsicherheiten. Das BMF definiert im aktuellen Schreiben den Begriff von Wagniskapitalfonds und sorgt damit im Bereich der Steuerbefreiung für mehr Rechtssicherheit. Zudem äußert es sich zum Umfang der Umsatzsteuerbefreiung und geht auf die Unterscheidung zwischen der neueingeführten steuerfreien Verwaltung von Wagniskapitalfonds und der weiterhin steuerpflichtigen Verwaltung anderer Fonds, die kein Wagniskapital investieren, ein. Hinweis: Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 ausgeführt werden. Für bis zum 30.06.2022 getätigte Umsätze, die nach den bisherigen Regelungen steuerpflichtig waren, wird es, auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs, nicht beanstandet, wenn diese von den Beteiligten übereinstimmend weiterhin als steuerpflichtig behandelt werden.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 09/2022)

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