Akteneinsicht bei Sehbehinderung: Wann (k)eine elektronische Übersendung der Akten erfolgen muss

In einem finanzgerichtlichen Prozess haben die Beteiligten das Recht, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (z.B. die des Finanzamts) einzusehen. Werden die Prozessakten beim Gericht elektronisch geführt, wird die Akteneinsicht nach den Vorgaben der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Bereitstellung des Akteninhalts zum elektronischen Abruf gewährt. Sofern die Akten noch in Papierform geführt werden, muss die Akteneinsicht in den Diensträumen (z.B. einer Behörde) erfolgen. Werden die Akten teilweise elektronisch und teilweise in Papierform geführt (sog. hybrid geführte Prozessakten), besteht jedoch kein Anspruch darauf, dass das Gericht die Papierunterlagen einscannt und elektronisch zur Verfügung stellt. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) können blinde oder sehbehinderte Personen aber eine barrierefreie Akteneinsicht verlangen. In diesem Fall müssen auch die vorliegenden Papierakten auf Wunsch elektronisch bereitgestellt werden. In einem neuen Beschluss hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Ausnahmeregelung für blinde und sehbehinderte Personen nur gilt, sofern diese das geschriebene Wort in herkömmlicher Weise - auch bei Benutzung von Hilfsmitteln wie Brillen, Kontaktlinsen oder Lupen - nicht mehr zuverlässig wahrnehmen können. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Anwalt vom Finanzgericht Baden-Württemberg die elektronische Bereitstellung einer Papierakte gefordert und erklärt, dass er aufgrund einer Sehbehinderung nur kurze Zeit lesen und den Akteninhalt zudem nur über eine PC-Lupe und Veränderungen bei Helligkeit und Kontrast wahrnehmen könne. Der BFH lehnte eine elektronische Bereitstellung der Akte jedoch ab und verwies darauf, dass der Anwalt nach eigenem Sachvortrag mit dem rechten Auge noch (eingeschränkt) lesen könne. Da elektronische Inhalte für ihn unter Zuhilfenahme einer PC-Lupe durchaus lesbar sind, ist ihm nach Gerichtsmeinung auch zuzumuten, eine Papierakte mit einer herkömmlichen Lupe zur Kenntnis zu nehmen. Auch wenn eine Akteneinsicht auf diesem Wege beschwerlich sein mag, so ist sie nach Ansicht des BFH dennoch möglich. Im Ergebnis gilt der Anwalt demnach nicht als blind oder sehbehindert im Sinne des GVG, so dass er die bestehende Ausnahmeregelung nicht geltend machen kann.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 12/2023)
Kosten für die Berufsausbildung oder für ein Studium können nach dem Einkommensteuergesetz nur als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Steuerzahler zuvor entweder bereits eine Erstausbildung (eine Berufsausbildung oder ein Studium) abgeschlossen hat oder die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Hinweis: Kosten für eine erstmalige Ausbildung bzw. ein erstmaliges Studium können lediglich mit maximal 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abgesetzt werden. Der Haken an dieser Abzugsvariante ist, dass sich Sonderausgaben nur dann steuermindernd auswirken, wenn der Auszubildende bzw. Student im gleichen Jahr auch ein Einkommen oberhalb des steuerfreien Grundfreibetrags erzielt, denn nur wer Steuern zahlen muss, kann auch Steuern sparen. Eine Mitnahme der Kosten in spätere (Berufs-)Jahre über einen Verlustvortrag, wie das bei den Werbungskosten möglich ist, akzeptiert das Finanzamt bei Sonderausgaben nicht. In einem neuen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden, dass sich die Kosten für eine Pilotenausbildung als Werbungskosten abziehen lassen, wenn zuvor eine Ausbildung zum Rettungshelfer absolviert worden ist. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein angehender Pilot während seines Zivildienstes im Jahr 2007 bei einer Feuer- und Rettungswache einen nur siebenwöchigen Lehrgang absolviert, um sich als Rettungshelfer zu qualifizieren. Eineinhalb Jahre später nahm er dann seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer auf. Die Kosten von insgesamt 87.500 EUR machte er in den Jahren 2009 und 2010 als vorweggenommene Werbungskosten geltend. Der BFH entschied, dass die Ausbildung zum Rettungshelfer eine Erstausbildung war, so dass die Pilotenausbildung als Zweitausbildung einen vorweggenommenen Werbungskostenabzug zuließ. Die Richter verwiesen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der die Hürden für die Anerkennung von erstmaligen Berufsausbildungen - jedenfalls in den hier relevanten Streitjahren - sehr niedrig waren und weder ein geordneter Ausbildungsgang noch eine bestimmte Ausbildungsdauer oder ein formaler Abschluss erforderlich waren. Hinweis: Der Fall betrifft die alte Rechtslage bis 2014. Seit 2015 sind die Hürden für die Anerkennung von Erstausbildungen höher, denn seither ist gesetzlich festgelegt, dass als Erstausbildung nur geordnete Ausbildungsgänge anerkannt werden, die für mindestens zwölf Monate in Vollzeit absolviert werden und mit einer Abschlussprüfung enden. Der Gesetzgeber will so verhindern, dass beispielsweise Taxischeine oder Skilehrer-Lehrgänge einen Werbungskostenabzug für nachfolgende Ausbildungen eröffnen.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 06/2023)
Wer ein Gewerbe betreibt, lernt sicherlich viel fürs Leben - eine Erstausbildung im steuerlichen Sinn absolviert er damit jedoch nicht. Dies geht aus einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) hervor. Geklagt hatte ein ehemaliger Gewerbetreibender, der die Kosten für seine Pilotenausbildung als vorweggenommene Werbungskosten abziehen wollte. Der Kläger hatte vor seiner Pilotenausbildung ein knapp zweijähriges Praktikum in der Veranstaltungsbranche absolviert und anschließend jahrelang ein eigenes Gewerbe in der Veranstaltungs- und Showtechnik betrieben. Der BFH entschied jedoch, dass weder Praktikum noch gewerbliche Tätigkeit als Erstausbildung anerkannt werden können, so dass die Pilotenausbildung keinen Werbungskostenabzug als Zweitausbildung eröffnet. Es war weder ein geordneter Ausbildungsgang durchlaufen worden, noch hatte eine Abschlussprüfung stattgefunden. Zum Hintergrund: Kosten für eine Berufsausbildung oder für ein Studium können nach dem Einkommensteuergesetz nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Steuerzahler zuvor entweder bereits eine Erstausbildung (eine Berufsausbildung oder ein Studium) abgeschlossen hat oder die (zweite) Berufsausbildung bzw. das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Steuerlich weniger attraktiv ist der Abzug für Kosten einer erstmaligen Ausbildung oder eines erstmaligen Studiums, denn hierfür können nur maximal 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abgesetzt werden. Diese Abzugsvariante ist ungünstiger als der Werbungskostenabzug, da sich Sonderausgaben nur dann steuermindernd auswirken, wenn der Auszubildende bzw. Student im gleichen Jahr auch ein Einkommen über dem steuerfreien Grundfreibetrag erzielt, denn nur wer Steuern zahlen muss, kann auch Steuern sparen. Eine Mitnahme der Kosten in spätere (Berufs-)Jahre über einen Verlustvortrag - wie bei den Werbungskosten - akzeptiert das Finanzamt bei Sonderausgaben nicht.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 07/2023)
Wenn das Finanzamt einen Bescheid an einen Steuerpflichtigen schickt, wird dieser Bescheid im rechtlichen Sinne "bekanntgegeben". Für die Wirksamkeit des Bescheids muss er allerdings auch der richtigen Person gegenüber bekanntgegeben werden. Wenn Sie einen Steuerberater beauftragt haben, kann sich unter Umständen die Frage stellen: Ist der Bescheid wirksam bekanntgegeben, wenn Sie ihn vom Finanzamt bekommen und nicht Ihr Steuerberater? Darüber hatte das Finanzgericht Niedersachsen (FG) zu entscheiden. Die Klägerin hatte mit dem amtlichen Vollmachtsformular gegenüber einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, der X mbB (Bevollmächtigte), eine Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen erteilt. Die Vollmacht wurde nicht auf bestimmte Steuerarten beschränkt und es wurde ausdrücklich eine Bekanntgabevollmacht erteilt. Auf dem "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" gab die Klägerin als Finanzamt "A" und bei der Steuernummer "neu" an. Die Vollmacht wurde dem Finanzamt per Briefpost übersandt. Die bevollmächtigte X mbB nutzte nicht die Vollmachtsdatenbank. Im Folgejahr erließ das Finanzamt einen Grunderwerbsteuerbescheid. Dieser wurde aber nicht gegenüber der Bevollmächtigten bekanntgegeben, sondern direkt an die Klägerin geschickt. Der Bescheid enthielt eine Zahlungsaufforderung bis zum 29.07.2020. Die Zahlung erfolgte jedoch erst am 11.08.2020. Das Finanzamt forderte daraufhin mit Mahnung vom 13.08.2020 Säumniszuschläge von der Klägerin. Die Klage hiergegen vor dem FG war erfolgreich: Das Finanzamt hatte den Bescheid zu Unrecht an die Klägerin gesandt und nicht direkt an die Bevollmächtigte. Damit war der Bescheid nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben. Vielmehr wäre das Finanzamt verpflichtet gewesen, den Bescheid gegenüber der Bevollmächtigten bekanntzugeben, da eine schriftliche Empfangsvollmacht vorlag. Die Klägerin hat die X mbB schriftlich umfassend für alle Steuerarten bevollmächtigt und ihr auch eine (umfassende) Bekanntgabevollmacht erteilt. Der Grunderwerbsteuerbescheid hätte daher an die Bevollmächtigte gesendet werden müssen. Die Grunderwerbsteuer war bei der Zahlung am 11.08.2020 noch nicht fällig, da zu diesem Zeitpunkt noch keine wirksame Bekanntgabe des Bescheids erfolgt war. Nach Ansicht des FG ergab sich aus der erteilten Vollmacht keine Beschränkung. Das Argument des Finanzamts, die Vollmacht gelte nur für die Einkommensteuer, sei nicht schlüssig.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2022)
Bereits seit dem 01.01.2022 müssen Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Schriftsätze, Anträge und Erklärungen zwingend als elektronisches Dokument an die Gerichte übermitteln. Die Papierform ist für diesen Personenkreis seitdem grundsätzlich nicht mehr erlaubt. Rechtsanwälte müssen für diese Zwecke ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) benutzen. Seit dem 01.01.2023 müssen auch Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) vorhalten, so dass auch sie spätestens ab diesem Zeitpunkt zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten verpflichtet sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt entschieden, dass für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auch dann die spätere Frist zum 01.01.2023 gilt, wenn sie in einer Partnerschaftsgesellschaft mit einem Rechtsanwalt verbunden sind. Sie konnten Prozesserklärungen im Jahr 2022 also noch formgerecht auf Papier oder per Fax bei den Gerichten abgeben. Der BFH verwies darauf, dass der elektronische Übermittlungsweg im Jahr 2022 zunächst nur für Rechtsanwälte galt und diese ein beA als natürliche Person erhielten. Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern stand dieser Übermittlungsweg hingegen damals noch nicht zur Verfügung, auch wenn sie in einer Partnerschaftsgesellschaft mit einem Rechtsanwalt verbunden waren. Auch die Gesellschaft selbst verfügte nicht über einen elektronischen Zugang. Hinweis: In einer Partnerschaftsgesellschaft können sich ausschließlich Angehörige freier Berufe zusammenschließen. Die Gesellschaftsform beruht im Wesentlichen auf den Grundlagen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Im Unterschied zur GbR bietet die Partnerschaftsgesellschaft allerdings die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2023)

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