Umsatzsteuer bei digitalen Leistungen: Klärung zur Rolle von App Stores und Leistungsort

In Deutschland müssen Hundehalter in aller Regel eine Hundesteuer zahlen. Die allermeisten Gemeinden nutzen diese Steuer als zusätzliche fiskalische Einnahmemöglichkeit - geregelt über kommunale Hundesteuersatzungen oder unmittelbar über ein Hundesteuergesetz. Für Blindenhunde oder Hütehunde gilt häufig eine Steuerbefreiung oder -ermäßigung. Halter von als gefährlich geltenden Hunderassen werden hingegen meist besonders hoch zur Kasse gebeten. Das Verwaltungsgericht Mainz (VG) hat nun entschieden, dass auch Hunde besteuert werden, die vom Halter für seine berufliche Tätigkeit als Hundetrainer und Hundephysiotherapeut einsetzt werden. Im zugrunde liegenden Fall war ein Ehepaar von der Stadt zur Hundesteuer für drei Hunde herangezogen worden. Das Paar legte Widerspruch ein und erklärte, dass zwei der Hunde von der Ehefrau bei ihrer selbständigen Tätigkeit als Hundetrainerin und Hundephysiotherapeutin eingesetzt wurden. Die Tiere seien daher "notwendige Betriebsmittel", die nicht der Hundesteuer unterfielen. Lediglich der dritte Hund, der aus Altersgründen nicht mehr in eine berufliche Tätigkeit einbezogen werde, sei steuerpflichtig. Das VG gab jedoch grünes Licht für die Besteuerung aller drei Hunde. Zwar wird das Halten von Hunden, die allein beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienen (wie z.B. Diensthunde, verpflichtende Jagd- und Wachhunde, Artistenhunde, Hütehunde, Hundezucht und -handel), nicht besteuert, da darin keine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Halters zu Tage tritt. Von einer erwerbswirtschaftlichen Ausrichtung kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn die Berufsausübung ohne die Hundehaltung nicht möglich ist oder erheblich erschwert würde. Solche Umstände wurden im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht und waren auch nicht ersichtlich. Die Ehefrau hatte nicht erklärt, dass ihre Hunde als "Anleithunde" oder "Vorführhunde" für den Trainings- und Therapiebetrieb notwendig waren. Der Betrieb konnte vielmehr auch allein mit den Hunden der Kunden durchgeführt werden. Die Beteiligung des eigenen Hundes an den Trainingseinheiten dürfte nach Gerichtsmeinung sogar eher hinderlich gewesen sein. Die angebotenen Online-Schulungen der Frau, in denen sie den artgerechten Umgang mit Hunden an ihren eigenen Tieren demonstrierte, beruhten auf ihrer privaten Entscheidung und waren nicht betriebsnotwendig. Die Haltung aller drei Hunde im privaten Haushalt der Eheleute zeigte nach Auffassung des VG, dass die Hundehaltung in erster Linie aus privaten Interessen erfolgt war.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 12/2023)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zur Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit von Forderungen Stellung genommen. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die in Ungarn ansässige Gesellschaft Euler Hermes, die im Versicherungswesen tätig ist und sich im Rahmen eines Versicherungsvertrags verpflichtet, eine Entschädigung an ihre Versicherten zu zahlen, falls deren Kunden eine bestimmte Forderung nicht begleichen. Dabei beläuft sich der Entschädigungssatz auf 90 % des Werts der nichtbeglichenen Forderung zuzüglich Mehrwertsteuer. Nach dem Vertrag werden im Zuge dieser Entschädigung ein entsprechender Teil der Forderung sowie alle dem Versicherten zustehenden Rechte an Euler Hermes abgetreten. Letztere wird mit der zuvor von den Versicherten an den Fiskus abgeführten, aber von diesen an ihre Kunden abgewälzten und von ihnen nichtbeglichenen Mehrwertsteuer belastet. Die Forderungen sind zum Zeitpunkt ihrer Übertragung auf Euler Hermes noch nicht als uneinbringlich erachtet worden, sondern erst nach dieser Übertragung endgültig uneinbringlich geworden. Strittig ist, ob Euler Hermes Anspruch auf die Erstattung der Mehrwertsteuer hat. Die Klägerin hat den Kunden eine Entschädigung gezahlt, die 90 % des Betrags der fraglichen Forderung zuzüglich Mehrwertsteuer betrug. Hieran zeigt sich, dass dieser Teil der Forderung von den Kunden als Gegenleistung der fraglichen steuerbaren Umsätze vereinnahmt wurde. Die Kunden können für diesen Betrag keinen Anspruch auf Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer geltend machen. Es ist nicht davon auszugehen, dass im Hinblick auf das Mehrwertsteuerrecht der EU ein Versicherer wie Euler Hermes als derjenige Steuerpflichtige bestimmt werden kann, der eine Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage verlangen kann. Dies verstieße gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, da die abgeführte Mehrwertsteuer nicht genau zu dem Preis proportional wäre, den die Kunden tatsächlich erhalten haben.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 06/2023)
Die Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze steht erneut auf dem Prüfstand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit mit diesen Umsätzen zusammenhängende oder diese ergänzende Tätigkeiten (Erwerb und Verkauf von Unfallfahrzeugwracks) von der Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze erfasst werden. Im Urteilsfall ging es um die Verwertung solcher Gegenstände durch den Versicherer. Ein Versicherungsunternehmen aus Portugal erwarb im Rahmen seiner Tätigkeit Unfallfahrzeugwracks aus Schadensfällen seiner Versicherten und verkaufte sie anschließend an Dritte weiter, ohne auf diese Verkäufe Mehrwertsteuer zu entrichten. Die portugiesische Steuer- und Zollbehörde hingegen sah in den Verkäufen der Mehrwertsteuer unterliegende entgeltliche Übertragungen von körperlichen Gegenständen. Eine Steuerbefreiung käme nicht in Betracht. Dagegen erhob das Versicherungsunternehmen Klage. Da das Gericht Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts hatte, legte es dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH vertritt die Auffassung, dass ein Umsatz aus dem Verkauf eines Fahrzeugwracks kein Versicherungsumsatz im Sinne der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie ist. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Verkaufsumsatz untrennbar mit dem Versicherungsvertrag für das betreffende Fahrzeug verbunden und deshalb steuerlich genauso zu behandeln sei wie dieser Vertrag. Zudem würden die Wracks nicht im Rahmen der Versicherungstätigkeit verwendet, sondern in unverändertem Zustand und ohne vorherige Nutzung an Dritte weiterverkauft. Hinweis: Das Urteil ist auch in Deutschland für die Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung von Versicherungsumsätzen von Bedeutung.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 07/2023)
Die sogenannten Pandora-Papers sind das bislang größte Datenleak bezüglich Steueroasen und sind bereits im Jahr 2021 einem internationalen Konsortium von Journalisten zugespielt worden. Der Datensatz beinhaltet Informationen über 14 sogenannte Offshore-Provider, also Unternehmen, die Briefkastenfirmen (Offshore-Firmen), Trusts (Stiftungen) und andere Unternehmensformen für ihre Kunden aufbauen. Das Land Hessen hat mitgeteilt, dass es die Pandora-Papers angekauft hat. Die Hessische Steuerverwaltung soll das Datenleak nun federführend für ganz Deutschland und auch für Ermittlungsbehörden im Ausland auswerten. Experten der hessischen Steuerverwaltung haben die Daten zuvor eingehend geprüft und als authentisch sowie verwertbar eingestuft. Das Datenpaket umfasst 3,8 Terabyte, die sich auf mindestens 10,4 Mio. Dokumente erstrecken. Die Daten liegen nun dem Finanzamt Kassel vor. Ermittler aus Deutschland und der EU können sich dort mit Anfragen zu den Pandora-Papers melden. Wie werthaltig die Pandora Papers aus steuerlicher Sicht sind, sollen die Auswertungen und die sich anschließenden Ermittlungen der unterschiedlichen Behörden ergeben. Wie viel Hessen für die Datensätze gezahlt hat, ist nicht bekannt. Das Bundesland hatte ab 2017 bereits die Panama-Papers federführend für die Steuerbehörden in ganz Deutschland ausgewertet.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2023)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich mit Schreiben vom 16.06.2022 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Zahlungen im Zusammenhang mit EU-Rahmenprogrammen geäußert. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wurde entsprechend geändert. Das BMF stellt zunächst klar, dass Zahlungen von Finanzmitteln im Zusammenhang mit EU-Rahmenprogrammen, die den Teilnehmern für Forschungs- und Innovationstätigkeiten innerhalb der Rahmenprogramme der EU bereitgestellt werden, als echter nichtsteuerbarer Zuschuss anzusehen sind. Voraussetzung ist, dass die vom Teilnehmer erhaltene Finanzhilfe nicht mit dem Preis einer Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang steht und keine Übertragung der Eigentumsrechte an die Kommission vorgesehen ist. Ferner führt das BMF aus, was für den Fall gilt, dass die Kommission ausnahmsweise die Eigentumsrechte an Ergebnissen von aus den genannten EU-Rahmenprogrammen finanzierten Tätigkeiten erwirbt. In diesem Fall liegt ein Zusammenhang zwischen der Übertragung der Eigentumsrechte an Ergebnissen seitens eines Teilnehmers, der eine Finanzhilfe erhalten hat, und der diesem Teilnehmer gewährten Finanzhilfe vor. Dieser Zusammenhang ist als ausreichend direkt anzusehen, um die Zahlung der Finanzhilfe als Entgelt für die Übertragung einzustufen. Zudem liegt ein umsatzsteuerbarer Vorgang vor, wenn die Kommission im eigenen Namen oder gemeinsam mit Mitgliedstaaten Aufträge für die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen vergibt. Hier liegt ein Erwerb vor, so dass der Kommission ein verbrauchsfähiger Vorteil aufgrund eines Entgelts zugewendet wird. Hinweis: Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 09/2022)
Wie können Unternehmen zu viel gezahlte Mehrwertsteuer zurückfordern, wenn die ursprüngliche Rechnung nicht mehr korrigiert werden kann? Antwort darauf gab ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13.03.2025. Es ging um den Vorsteuerabzug und die Frage eines gesonderten Direktanspruchs gegen die Finanzverwaltung. Im Besprechungsfall hatte ein Unternehmen Mehrwertsteuer für den Erwerb von Gerätschaften entrichtet. Später stellte jedoch die nationale Steuerbehörde fest, dass der Umsatz nicht mehrwertsteuerpflichtig war. Der Verkäufer hatte die Mehrwertsteuer ordnungsgemäß in Rechnung gestellt und abgeführt, doch aufgrund der abgelaufenen Verjährungsfrist konnte die Rechnung nicht mehr korrigiert werden. Der EuGH entschied, dass das Unternehmen in diesem Fall keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn der Umsatz letztlich als nicht mehrwertsteuerpflichtig eingestuft wird. Das bedeutet, dass die ursprünglich gezahlte Mehrwertsteuer nicht abzugsfähig ist. Gleichzeitig stellte der EuGH fest, dass der Leistungsempfänger in solchen Fällen einen gesonderten Direktanspruch gegenüber der Finanzverwaltung geltend machen kann, um die zu viel gezahlte Mehrwertsteuer zurückzuerhalten - und zwar unabhängig davon, ob die ursprüngliche Rechnung des Verkäufers noch korrigiert werden kann. Das Gericht betonte, dass dieser Direktanspruch nicht Teil des Vorsteuerabzugsverfahrens ist, sondern separat verfolgt werden muss. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, das die Mehrwertsteuer zu Unrecht gezahlt hat und keine Möglichkeit zur Korrektur der Rechnung mehr hat, direkt die Finanzverwaltung auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen kann. Das Urteil verdeutlicht, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt auch dann besteht, wenn der Umsatz nachträglich als nicht steuerpflichtig qualifiziert wird und eine Korrektur der Rechnung nicht mehr möglich ist. Unternehmen haben somit die Möglichkeit, sich auch in Fällen zu viel gezahlter Mehrwertsteuer außerhalb des Vorsteuerabzugsverfahrens zu wehren. Hinweis: Das Urteil hat weitreichende Folgen, da es bestätigt, dass der Direktanspruch gegenüber der Finanzverwaltung in solchen Fällen gesondert und unabhängig vom Vorsteuerabzugsverfahren geltend gemacht werden kann.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 07/2025)
Im Bereich digitaler Dienstleistungen, insbesondere beim Vertrieb von Apps, gibt es wichtige Entwicklungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Umsätzen vor dem Jahr 2015. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft derzeit, wie diese Umsätze korrekt zu besteuern sind und wer als Leistungserbringer gilt. Im Besprechungsfall verkaufte ein deutsches Unternehmen Apps über einen Appstore mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Die Apps waren zunächst kostenlos, jedoch konnten kostenpflichtige Zusatzleistungen erworben werden. Nach der vertraglichen Vereinbarung bot der App Store die Produkte im eigenen Namen, aber für Rechnung der App-Entwicklerin an und erhielt dafür eine Provision. Die Endkunden erhielten vom App Store eine Bestellbestätigung, in der das deutsche Unternehmen als Verkäufer genannt und deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Das Unternehmen behandelte seine Leistung an den App Store als Dienstleistungskommission. Das zuständige Finanzgericht bestätigte zunächst, dass der Leistungsort im Ausland liege und keine deutsche Umsatzsteuer anfalle. Der Bundesfinanzhof stellte diese Sichtweise allerdings in Frage und legte dem EuGH mehrere zentrale Fragen vor: Ist der App Store bei Umsätzen vor 2015 als leistender Unternehmer anzusehen, auch wenn die App-Entwicklerin als Verkäuferin genannt wird und deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen ist? Welcher Ort ist für die Umsatzsteuer maßgeblich? Der Sitz des App Stores oder der Wohnort des Endkunden? Führt der Ausweis deutscher Umsatzsteuer in Bestellbestätigungen an Endkunden zu einer Steuerpflicht der App-Entwicklerin? Der Generalanwalt beim EuGH schlägt eine enge Auslegung vor: Der App Store gilt als Leistungserbringer gegenüber den Endkunden, die Leistung der App-Entwicklerin wird an den App Store erbracht. Leistungsort ist der Sitz des App Stores, nicht der Wohnort des Endkunden. Ein deutscher Umsatzsteuerausweis in Bestellbestätigungen löst, sofern keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht, nicht automatisch eine Steuerpflicht aus. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob Bestellbestätigungen überhaupt als umsatzsteuerliche Rechnungen gelten. Hinweis: Wir empfehlen Unternehmen, die über digitale Plattformen Umsätze erzielen, die weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen und bei Bedarf ihre umsatzsteuerlichen Abläufe anzupassen.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 08/2025)

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