Europa-Entscheidung: Verhältnismäßige Mehrwertsteuer-Bußgelder zulässig
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat über die Vereinbarkeit der in Belgien üblicherweise verhängten proportionalen Geldbußen mit den Grundsätzen des EU-Rechts entschieden. Der Fall betraf einen belgischen Unternehmer, der seit Juni 2013 keine turnusmäßigen Mehrwertsteuererklärungen mehr eingereicht und die geschuldete Mehrwertsteuer nicht entrichtet hatte.
Daraufhin setzte die belgische Steuerbehörde die Steuer für die Jahre 2013 bis 2015 fest und erhob eine Geldbuße in Höhe von 20 % des Umsatzes. Dagegen wehrte sich der Unternehmer. Nach seiner Auffassung hätte die Steuerbehörde den tatsächlich an sie zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag berücksichtigen müssen, also den Betrag nach Abzug der Vorsteuer. Er machte zudem geltend, dass die Erhebung der Geldbuße auf die abzugsfähige Mehrwertsteuer gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.
Der EuGH urteilte, dass Sanktionen - in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - nicht über das hinausgehen sollten, was erforderlich sei, um die Ziele der Steuererhebung und Betrugsbekämpfung zu erreichen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit seien die Art und die Schwere des Verstoßes sowie das Verfahren zur Berechnung des Strafmaßes zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall lasse sich aufgrund der Art und der Schwere der vorgeworfenen Verstöße und angesichts dessen, dass Mehrwertsteuersanktionen wirksam und abschreckend sein müssten, nicht feststellen, dass die Geldbuße über das hinausgehe, was zur Sicherstellung der genauen Steuererhebung und zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen erforderlich sei.
Der Grundsatz der Steuerneutralität verlange hingegen, dass der Vorsteuerabzug gewährt werde, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt seien. Das gelte selbst dann, wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt habe. Im Urteilsfall fehlten dem EuGH jedoch weitergehende Informationen dazu, wie sich die nationalen Rechtsvorschriften oder die Sanktionen in diesem Fall auf die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs auswirken. Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität einer solchen nationalen Regelung nicht entgegenstehen. Somit darf die Nichteinhaltung der Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Mehrwertsteuer mit einer pauschalen Geldbuße in Höhe von 20 % der Mehrwertsteuer vor Abzug der Vorsteuer sanktioniert werden.
Hinweis: Trotz des EuGH-Urteils muss nun noch das zuständige belgische Gericht die Angemessenheit der verhängten Strafe bestätigen.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 12/2023)
Wer Wohnungen oder Häuser vermietet, muss auf seine Umsätze regelmäßig keine Umsatzsteuer zahlen, da aufgrund einer dauerhaften Vermietung eine Steuerbefreiung nach dem Umsatzsteuergesetz greift. Anders liegt der Fall bei einer Vermietung von Campingflächen oder Wohn- und Schlafräumen, die der kurzfristigen Beherbergung von Fremden dienen - diese Umsätze sind steuerpflichtig und unterliegen einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist kürzlich der Frage nachgegangen, ob auch bei der kurzfristigen Vermietung von mobilen Wohncontainern der ermäßigte Umsatzsteuersatz angewandt werden darf oder der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 % zugrunde gelegt werden muss. Geklagt hatte ein Landwirt, der für seinen Spargel- und Beerenanbau saisonal rund 100 Erntehelfer beschäftigte, an die er zugleich Räume in mobilen Wohncontainern vermietete. Die Dauer der Mietverhältnisse betrug längstens drei Monate. Die Container waren nicht in das Erdreich eingelassen, sondern standen lediglich auf Steinsockeln und waren über gepflasterte Wege zu erreichen. Der Landwirt versteuerte seine Vermietungsumsätze mit 7 %. Das Finanzamt vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 % berechnet werden müsse, da die Steuersatzermäßigung nur für die kurzfristige Vermietung von Unterkünften gelte, die dauerhaft fest mit dem Grundstück verbunden sind.
Der BFH gestand dem Landwirt jedoch den ermäßigten Steuersatz von 7 % zu und urteilte, dass dessen Anwendung nicht auf die Vermietung von Grundstücken und mit diesen fest verbundenen Gebäuden beschränkt ist. Auch die Vermietung von nicht ortsfesten Wohncontainern wird erfasst. Diese Auslegung entspricht dem Unionsrecht.
Hinweis: Die Rechtsprechung ist nicht nur für die Vermietung von Wohncontainern an Erntehelfer relevant, sondern beispielsweise auch für die Vermietung von mobilen Containern als Notunterkünfte oder Aufnahmeeinrichtungen.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 06/2023)
Selbständige Kindertagesmütter und -väter können in ihrer Gewinnermittlung ab 2023 eine Betriebsausgabenpauschale von 400 EUR pro betreutem Kind und Monat abziehen. Bislang waren nur 300 EUR abziehbar. Dies geht aus einem neuen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) hervor. Weiter gilt:
Wahlrecht: Selbständig tätigen Kindertagespflegepersonen steht ein Wahlrecht zu, ob sie von ihren steuerpflichtigen Einnahmen die tatsächlich angefallenen (nachgewiesenen) Betriebsausgaben oder pauschale Betriebsausgaben abziehen wollen. Ein pauschaler Betriebsausgabenabzug ist aber nicht wählbar, wenn die Kinderbetreuung im Haushalt der Personensorgeberechtigten (z.B. der Eltern der Kinder) oder in kostenlos überlassenen Räumlichkeiten durchgeführt wird.
Freihalteplätze: Hält die Kindertagespflegeperson sogenannte Freihalteplätze vor, die bei Krankheit, Urlaub oder Fortbildung einer anderen Kindertagespflegeperson kurzfristig belegt werden können, und erhält sie für diese "Reserveplätze" laufende Geldleistungen, so kann sie von den erhaltenen Einnahmen für diese Plätze eine besondere Betriebsausgabenpauschale abziehen. Die Pauschale wurde ab 2023 von 40 EUR auf 50 EUR je Platz und Monat angehoben.
Kein Verlust durch Pauschale: Anders als beim tatsächlichen Betriebsausgabenabzug darf sich durch den pauschalen Betriebsausgabenabzug aber nach wie vor kein steuerlicher Verlust ergeben. Bewegt sich eine Kindertagespflegeperson mit ihrer Tätigkeit nahe an der Verlustgrenze, kann sich für sie daher ein Abzug der tatsächlichen Betriebsausgaben lohnen.
Tatsächlicher Betriebsausgabenabzug: Als tatsächliche Betriebsausgaben sind unter anderem die Kosten für Nahrungsmittel, Ausstattungsgegenstände (Mobiliar), Beschäftigungsmaterialien, Fachliteratur, Hygieneartikel, Miete und Betriebskosten für die Betreuungsräumlichkeiten, Kommunikationskosten, Weiterbildungskosten, Beiträge für Versicherungen, die unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, Fahrtkosten und Kosten für Freizeitgestaltung abziehbar.
Hinweis: Kindertagespflegemütter und -väter sind in der Regel gut beraten, wenn sie sich nicht schon zu Jahresbeginn festlegen, ob sie den pauschalen oder den tatsächlichen Betriebsausgabenabzug wählen. Das steuerlich günstigste Ergebnis erzielen sie, wenn sie am Jahresende zunächst ihre tatsächlich entstandenen Werbungskosten zusammenrechnen und dann mit den pauschal abziehbaren Betriebsausgaben vergleichen. Die Berechnung mit dem höchsten Kostenabzug kann dann der steuerlichen Gewinnermittlung zugrunde gelegt werden. Um sich die Möglichkeit dieser (Schatten-)Berechnung offenzuhalten, müssen Kindertagespflegepersonen während des Jahres aber zunächst sämtliche Rechnungen und Quittungen über abziehbare Kosten sammeln.Information für: Unternehmerzum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 07/2023)
Wenn ein Gewerbebetrieb Grundbesitz in seinem Betriebsvermögen hält, das nicht von der Grundsteuer befreit ist, mindert sich sein für die Gewerbesteuer relevanter Gewerbeertrag um 1,2 % des Einheitswerts, der zuletzt für den Grundbesitz festgestellt worden ist. Diese pauschale Kürzung soll eine Doppelbesteuerung des Grundbesitzes mit Gewerbesteuer und Grundsteuer abmildern.
Reinen Grundstücksunternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, steht eine sogenannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung zu. Das heißt, sie können ihren Gewerbeertrag um den Teil kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, so dass eine Doppelbesteuerung in vollem Umfang vermieden wird. Wichtig ist hierfür, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes "ausschließlich" erfolgt. Zulässig ist aber eine Betreuung von Wohnungsbauten (Baubetreuung oder Bewirtschaftung). Nebentätigkeiten des Unternehmens werden bei der erweiterten Kürzung vom Finanzamt nur akzeptiert, wenn sie
der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und
zwingend notwendiger Teil der eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung sind.
Ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt eindrucksvoll, dass schon geringfügige "schädliche" Nebentätigkeiten dazu führen, dass die erweiterte Gewerbesteuerkürzung komplett versagt wird. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Grundstücksunternehmen ein Büro in einem Mehrfamilienhaus seiner Gesellschafter-Geschäftsführer genutzt und die Reinigung von Treppenhaus und Hauseingang in diesem "fremden" Haus übernommen. Für die Arbeiten hatte das Unternehmen den Gesellschaftern rund 1.600 EUR pro Jahr in Rechnung gestellt. Demgegenüber belief sich der Gewerbeertrag aus der Grundstücksverwaltung auf einen sechsstelligen Betrag.
Der BFH urteilte gleichwohl, dass die erweiterte Kürzung zu versagen ist. Die gegen Entgelt erbrachten Reinigungsleistungen gehörten nicht zur Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der Gesellschaft, sie waren auch keine unschädliche Nebentätigkeit. Eine zulässige "Betreuung von Wohnungsbauten" war in der Tätigkeit nach Gerichtsmeinung ebenfalls nicht zu sehen, da die bloße Reinigung von Gemeinschaftsflächen noch keine Bewirtschaftung darstellt.Information für: Unternehmerzum Thema: Gewerbesteuer(aus: Ausgabe 09/2023)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Schreiben zum ermäßigten Steuersatz für Leistungen einer gemeinnützigen Einrichtung herausgegeben. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass ist in diesem Zusammenhang angepasst worden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits im Jahr 2013 entschieden, dass eine Eigengesellschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auch in dem Fall selbstlos tätig sein kann, wenn sie auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags eine der Gesellschafterin originär obliegende hoheitliche Pflichtaufgabe übernimmt. Im Urteilsfall ging es um den Notrettungsdienst. Das BMF übernimmt nun die Rechtsprechung des BFH und gibt insoweit die bisherige Verwaltungsauffassung auf. Diese Regelung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.
Im Hinblick auf den Weiterverkauf von Blutprodukten hält das BMF ebenfalls nicht mehr an der bisherigen Verwaltungsauffassung fest. Grund dafür sind veränderte Markt- und Tätigkeitsstrukturen sowie ein verändertes Tätigkeitsvolumen der gemeinnützigen Blut- und Plasmaspendedienste. Bislang vertrat das BMF die Auffassung, dass der Weiterverkauf von Blutprodukten der ersten Fraktionierungsstufe stets dem Zweckbetrieb zuzuordnen sei. Insbesondere bei der Blutplasmagewinnung für die industrielle Weiterverarbeitung mittels Aphereseverfahren überwiegt der Marktanteil nichtgemeinnütziger Einrichtungen. Diese Regelung ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 bewirkt werden.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 09/2022)