Fraglicher Zeitpunkt: Wie verlässlich und verbindlich ist eine Postzustellungsurkunde?

Haben Sie schon einmal einen Brief von einer Behörde in einem gelben Umschlag bekommen? Das ist eine Postzustellungsurkunde, mit der die Behörden einen Nachweis der Zustellung eines Schriftstücks erhalten. Vom Datum der Postzustellungsurkunde hängt dann auch der Lauf etwaiger Fristen ab. Aber wie aussagekräftig ist so eine Postzustellungsurkunde, etwa wenn Mitarbeiter eines Unternehmens der Meinung sind, dass eine fristgerechte Zustellung nicht erfolgt ist? Das Finanzgericht Münster (FG) musste darüber entscheiden. Die Klägerin ist eine GmbH. Im März 2019 führte das Finanzamt eine Außenprüfung bei ihr durch und erließ in deren Folge geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2014 und 2015. Die Klägerin legte gegen diese Bescheide Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidungen vom 11.05.2021 wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Diese Entscheidungen wurden der damaligen steuerlich bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 14.05.2021 (Freitag) wurden die beiden Schriftstücke zusammen in einem Umschlag - nachdem eine Übergabe nicht möglich war - an diesem Tag in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt. Eine Uhrzeit wurde dabei nicht vermerkt. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Posteingangsstempel mit Datum 17.05.2021 an. Am 17.06.2021 wurde Klage erhoben. Die Klage wurde jedoch vom FG als unzulässig abgewiesen. Sie wurde erst nach der am 14.06.2021 abgelaufenen Klagefrist erhoben. Laut Postzustellungsurkunde wurde die Einspruchsentscheidung am 14.05.2021 zugestellt. Dass die Uhrzeit auf der Urkunde nicht vermerkt wurde, spielt keine Rolle. Ein solcher Vermerk erfolgt nur bei Auftrag des Zustellenden. Es wurden keine Gründe vorgetragen, die eine unmittelbare Feststellung der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde erlauben. So auch nicht der Verweis der Klägerin darauf, dass ein Zustellversuch am 14.05.2021 zwischen 7 Uhr und 19 Uhr ausnahmslos erfolgreich gewesen wäre. Eine Ersatzzustellung wäre auch möglich gewesen, wenn dem Postzusteller nach dem Klingeln die Tür nicht hinreichend schnell geöffnet worden wäre. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher im Streitfall nicht zu gewähren. Hinweis: Die Einhaltung von Fristen ist in Steuerangelegenheiten äußerst wichtig. Wir unterstützen Sie dabei, nichts zu versäumen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 12/2023)
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben sich viele ehrenamtliche Helfer nebenberuflich in Impfzentren und mobilen Teams engagiert. Personen, die in diesem Zusammenhang im Impfbereich tätig waren, können für ihre daraus erzielten Einnahmen in den Steuerjahren 2020 bis einschließlich 2023 die Übungsleiterpauschale beanspruchen. Sie beträgt in den Jahren 2021, 2022 und 2023 je 3.000 EUR (2020: 2.400 EUR). Bis zu diesem Betrag bleiben alle Einkünfte aus dem nebenberuflichen Engagement steuerfrei. Erfasst werden alle Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Impfung, so etwa auch zur Vor- und Nachbereitung der Impfungen, der Registrierung der zu impfenden Personen, der Aufbereitung des Impfstoffs, der Dokumentation der Impfungen und der Überwachung der geimpften Personen. Wer nebenberuflich in der Verwaltung oder Organisation von Impfzentren gearbeitet hat (z.B. in der Impfzentrenleitung oder im Sicherheitsmanagement), kann die Ehrenamtspauschale von 840 EUR jährlich (2020: 720 EUR) abziehen. Die vorgenannten Abzugsgrundsätze gelten analog auch für eine in den Jahren 2020 bis 2023 ausgeübte nebenberufliche Tätigkeit in Corona-Testzentren: Wer hier bei der Durchführung der Tests oder bei deren Vor- und Nachbereitung (z.B. Personenregistrierung, Dokumentation) geholfen hat, kann die Übungsleiterpauschale beanspruchen, für andere Tätigkeiten kann gegebenenfalls die Ehrenamtspauschale in Betracht kommen.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 06/2023)
Das Steuerrecht ist kompliziert und wird auch nicht einfacher. Da kann es manchmal schwierig sein, im Einzelfall die richtige steuerliche Sachlage und deren Konsequenzen eindeutig festzustellen. Daher gibt es die Möglichkeit, beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu stellen. Dabei wird dem Finanzamt der fragliche Sachverhalt geschildert. Da es sich um eine individuelle Leistung durch das Finanzamt handelt, wird hierfür eine Gebühr erhoben. Im Streitfall hatten mehrere Personen einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft über den gleichen Sachverhalt gestellt. Das Finanzgericht Münster (FG) musste darüber entscheiden, wie oft eine Gebühr für mehrere inhaltsgleiche Auskünfte vom Finanzamt abgerechnet werden kann. Im zugrundeliegenden Fall waren die Kläger teils unmittelbar und teils mittelbar an einer Holdinggesellschaft beteiligt. Da eine Umstrukturierungsmaßnahme der Gesellschaft geplant war, wurde von allen acht Beteiligten eine verbindliche Auskunft über denselben Inhalt beim Finanzamt beantragt. Ziel der Auskunft war die Klärung der Frage, ob die geplante Umstrukturierung ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden könne. Das Finanzamt erteilte daraufhin acht inhaltsgleiche verbindliche Auskünfte gegenüber den Klägern und setzte gegenüber jedem eine Gebühr fest. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und begehrten - jedoch vergeblich - eine einheitliche Gebührenfestsetzung. Ihre Klage vor dem FG war erfolgreich. Entgegen der Ansicht des Finanzamts könne nur eine Auskunftsgebühr nach dem Höchstbetrag gegenüber allen Antragstellern als Gesamtschuldnern angesetzt werden. Der Erlass mehrerer Gebührenbescheide, in deren Rahmen jeweils die Höchstgebühr festgesetzt werde, sei rechtswidrig. Das Finanzamt habe die verbindliche Auskunft gegenüber allen Klägern einheitlich erteilt. Die Bescheide seien inhaltsgleich gewesen. Die unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse der Kläger seien für das Ergebnis der verbindlichen Auskunft nicht entscheidend gewesen. Dass die Anträge auf ein mehrstufiges Umwandlungsvorhaben gerichtet gewesen seien, habe das Finanzamt bei der Gebührenfestsetzung nicht berücksichtigt. Das Finanzamt habe nicht in Bezug auf die einzelnen Rechtsfragen, sondern lediglich in Bezug auf die Antragsteller separat abgerechnet. Es sei daher gegenüber allen Klägern als Gesamtschuldnern nur eine Auskunftsgebühr anzusetzen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 07/2023)
Das Steuerrecht versucht, auch die besondere Situation von Alleinerziehenden zu berücksichtigen. So steht Ihnen ein Entlastungsbetrag zu, wenn Sie ihr Kind alleine erziehen. Jedoch wird Ihnen dieser nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. So erhalten Sie den Betrag nicht mehr, wenn Sie mit einer anderen volljährigen Person (etwa Ihrem neuen Partner) zusammenleben. In einem Streitfall des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (FG) stellte sich die Frage, ob die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag noch vorlagen oder nicht. Die Klägerin war im Jahr 2016 alleinerziehende Mutter von zwei in Ausbildung befindlichen Kindern. Ab dem 01.08.2016 vermietete sie zwei Zimmer in ihrem Einfamilienhaus an ein Brüderpaar aus Syrien. Einer von ihnen war minderjährig, der andere volljährig. Laut Mietvertrag durften beide das Bad, die Küche und das Wohnzimmer mitbenutzen. Die Brüder erhielten Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Für den minderjährigen Bruder erteilte das Jugendamt der Klägerin eine Pflegeerlaubnis. Sie erhielt für die beiden Brüder allerdings kein Kindergeld. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde ihr vom Finanzamt nur bis zum 31.07.2016 gewährt. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG war erfolgreich. Demnach steht der Klägerin der Entlastungsbetrag nicht nur zeitanteilig zu. Die notwendigen Voraussetzungen waren bei ihr im gesamten Jahr 2016 erfüllt. Zum Haushalt der Klägerin gehörten zwei in Ausbildung befindliche (eigene) Kinder, für die ihr Kindergeld zustand. Die Klägerin unterhielt ab dem 01.08.2016 auch keine Haushaltsgemeinschaft mit dem bereits volljährigen syrischen Mieter. Eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person liegt nicht vor, wenn der Volljährige einen vollständig getrennten Haushalt führt. Bereits aufgrund des geschlossenen Mietverhältnisses war hier nicht von einer Haushaltsgemeinschaft auszugehen. Der Volljährige zahlte eine Miete an die Klägerin. Als Mieter war er typischerweise nicht an der Haushaltsführung beteiligt und auch nicht verpflichtet, über seine Miete hinaus finanzielle Beiträge zum Haushalt der Klägerin zu leisten.Information für: allezum Thema: Einkommensteuer(aus: Ausgabe 09/2023)
Der Zinssatz für Erstattungs- und Nachzahlungszinsen soll rückwirkend zum 01.01.2019 auf 1,8 % pro Jahr (0,15 % pro Monat) gesenkt werden. Das geht aus dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung hervor, dem sogenannten Zinsanpassungsgesetz, dem der Finanzausschuss im Juni 2022 zugestimmt hat. Derzeit werden Steuererstattungen und -nachzahlungen noch mit 6 % pro Jahr (0,5 % pro Monat) verzinst. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerentstehungsjahres - für den Veranlagungszeitraum 2022 also am 01.04.2024. Ergeht ein Steuerbescheid mit Nachzahlungsbetrag erst nach diesem Datum, muss der Steuerzahler dem Finanzamt neben dem Nachzahlungsbetrag also zusätzlich 6 % Zinsen im Jahr zahlen. Erfolgt nach Zinslaufbeginn eine Steuererstattung, so erhält der Steuerzahler zusätzlich Erstattungszinsen ausgezahlt. Wir erinnern uns: Im Juli 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen in Höhe von 6 % pro Jahr ab 2014 verfassungswidrig ist. Das Gericht  argumentierte dabei mit dem seit Jahren anhaltend niedrigen Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, mit dem eine Zinshöhe von 6 % nicht mehr vereinbar sei. Für die Verzinsungszeiträume 2019 und später wurde der Steuergesetzgeber vom BVerfG aufgefordert, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen (bis zum 31.07.2022). Nach den geplanten Neuregelungen soll zudem mit Teilverzinsungszeiträumen in denjenigen Fällen gerechnet werden, in denen unterschiedliche Zinssätze im Zinslauf zur Anwendung kommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Verzinsungszeitraum vom 01.05.2018 bis zum 15.07.2020 erstreckt. Zudem ist im neuen Gesetz geregelt, dass die Angemessenheit des neuen Zinssatzes unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes mindestens alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden muss - eine erstmalige Überprüfung muss somit spätestens zum 01.01.2026 erfolgen. Bei noch nicht bestandskräftig festgesetzten Zinsen werden die Finanzämter den neuen Zinssatz nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens rückwirkend ab Januar 2019 anwenden. Im Fall der Neuberechnung von Erstattungszinsen durch Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids darf der Steuerzahler aber im Vergleich zur letzten Zinsfestsetzung nicht schlechter gestellt werden. Das bedeutet, dass weder eine Rückzahlung festgesetzter noch vorläufig erhaltener Erstattungszinsen erforderlich ist. Hinweis: Das neue Gesetz senkt den Zinssatz nicht im Bereich der Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen. Dort wird also weiterhin ein Zinssatz von 6 % pro Jahr angewendet. Ob und wann auch hier eine Anpassung erfolgt, ist derzeit offen - das BVerfG hatte diese Zinsarten in seiner Entscheidung jedenfalls nicht angesprochen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 09/2022)

Zurück