EuGH-Entscheidung: Weiterverkauf von Beförderungsleistungen nun unter Sonderregelung
Das deutsche Steuerrecht ist wahrlich nicht einfach. Es gibt viele Regelungen, Ausnahmen und auch Abzugsmöglichkeiten. Damit das Steuerrecht richtig angewendet werden kann, müssen die entsprechenden Formulare ausgefüllt werden. Auch das ist nicht ganz einfach. So kann es vorkommen, dass aus Versehen falsche Werte oder auch doppelte Werte eingetragen werden. Im Urteilsfall musste das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) entscheiden, ob eine versehentliche doppelte Eintragung später geändert werden kann.
Der Kläger erhielt im Streitjahr eine Dividende von seiner Betriebs-GmbH. Diese war den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Steuern wurden bereits von der GmbH einbehalten. In den eingereichten Steuererklärungen des Klägers wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb, der auch die Dividende enthielt, in Anlage G erklärt. Des Weiteren wurde die Dividende auch in Anlage KAP eingetragen. Die Veranlagung durch das Finanzamt erfolgte erklärungsgemäß. Der Bescheid wurde im Anschluss formell bestandskräftig. Vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist beantragte der Klägerbevollmächtigte eine Änderung des Bescheids, da ihm auffiel, dass die Dividende zweimal der Steuer unterworfen worden war. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.
Die Klage vor dem FG war erfolgreich, der Bescheid kann geändert werden. Die später erkannte doppelte Erfassung der Dividende sei eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache. Nach Auskunft des Finanzamts habe dieses nicht gewusst, dass es sich bei den beiden Einträgen um die gleiche Dividende gehandelt habe. Nach Ansicht des FG traf weder das Finanzamt noch den Kläger ein grobes Verschulden daran, dass die Doppelerfassung erst nachträglich bekanntwurde. Es sei auch kein Vorsatz erkennbar. Ein persönliches Verschulden des Klägers bei der Zuarbeit zur Steuererklärung oder der Auswahl und Überwachung des Klägerbevollmächtigten bei Erstellung der Steuererklärungen sei ebenfalls nicht ersichtlich. Auch ein grobes Verschulden des Bevollmächtigten liege nicht vor.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 01/2024)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Beschluss vom 25.06.2024 wichtige Klarstellungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Weiterverkaufs von Beförderungsleistungen als Reiseleistung getroffen. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen, die Beförderungsleistungen wie etwa Flugtickets verkaufen, insbesondere im Kontext der deutschen Umsatzsteuerregelungen.
Im Besprechungsfall kaufte ein rumänisches Reisebüro Flugtickets von Fluggesellschaften für Flüge innerhalb der EU und verkaufte diese Tickets im eigenen Namen weiter. Neben dem Verkauf erbrachte es gelegentlich Beratungs- und Informationsleistungen für seine Kunden, bot jedoch keine zusätzlichen Reiseleistungen wie Unterbringung oder Transfers an.
Das Unternehmen versteuerte die Einnahmen aus diesen Verkäufen nach allgemeinen Vorschriften, da es davon ausging, es führe als Kommissionär steuerbefreite grenzüberschreitende Personenbeförderungen durch. Die rumänischen Steuerbehörden sahen jedoch die Sonderregelung für Reisebüros auf diese Dienstleistungen als anwendbar an, mit der Folge, dass zumindest die Marge der rumänischen Umsatzsteuer unterlag.
Der EuGH entschied, dass die Sonderregelung für Reisebüros, wie sie in der EU gilt, auch auf den bloßen Weiterverkauf von Beförderungsleistungen anwendbar ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beförderungsleistungen mit zusätzlichen Dienstleistungen verbunden sind oder ob der Anbieter auch Informations- und Beratungsleistungen erbringt. Diese Entscheidung basiert auf zwei zuvor ergangenen Urteilen, bei denen der EuGH festgestellt hatte, dass schon die bloße Bereitstellung von Übernachtungsleistungen oder Beherbergungsdienstleistungen die Anwendung der Sonderregelung rechtfertigt.
Hinweis: Diese Entscheidung verändert die bisherige Praxis in Deutschland. Der EuGH hat bestätigt, dass die Sonderregelung für Reisebüros auch auf einzelne Beförderungsleistungen anwendbar ist - nicht nur auf umfassende Leistungsbündel oder Beherbergungsleistungen. Unternehmen, die Beförderungsleistungen weiterverkaufen, müssen ihre Marge nach dieser Regelung versteuern und können die Vorsteuer für die Einkaufsleistungen nicht abziehen. Dies kann insbesondere bei zentralisierten Einkaufsgesellschaften zu zusätzlichen Kosten führen und erfordert eine Anpassung der Umsatzsteuerpraxis.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 11/2024)
Gemeinnützige Organisationen (z.B. Vereine) sind mit ihren Einkünften aus sogenannten Zweckbetrieben von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit. Umsätze, die sie im Rahmen eines solchen Zweckbetriebs erzielen, sind zudem meist umsatzsteuerfrei oder unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich entschieden, dass ein Zweckbetrieb auch vorliegt, wenn ein gemeinnütziger Verein die Organisation von Zivildienstleistenden übernimmt. Geklagt hatte ein eingetragener Verein, der soziale und caritative Hilfeleistungen anbot und nach seiner Satzung unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verfolgte. Auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Bundesamt für den Zivildienst verpflichtete sich der Verein, den Einsatz von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich (u.a. in Krankenhäusern, Jugendheimen, Sozialstationen, Pflegediensten, Kirchengemeinden) zu organisieren. Der Verein fungierte damit als Beratungs-, Betreuungs- und Fürsorgeeinrichtung. In den Jahren 2007 bis 2010 betreute der Verein zwischen 1.464 und 1.522 Zivildienstleistende. Das Finanzamt besteuerte die hieraus erzielten Überschüsse und erklärte, dass der Verein lediglich reine Dienstleistungen gegenüber den Beschäftigungsstellen der Zivildienstleistenden erbracht habe und keine Verwirklichung unmittelbar eigener steuerbegünstigter Zwecke vorgelegen habe.
Der BFH wandte den Steuerzugriff jedoch ab und sah die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb als erfüllt an. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Zivildienstbetreuung diente in seiner Gesamtausrichtung dazu, die eigenen steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwirklichen, da der Betrieb den Satzungszweck erfüllte. Die Zivildienstleistenden waren im sozialen Bereich eingesetzt; der Verein trug zudem wesentlich dazu bei, dass ein funktionierender Zivildienst gewährleistet war und damit hilfsbedürftige Menschen unterstützt werden konnten. Es hatte zudem eine untrennbare Verbindung der Verwaltungsleistungen mit der gemeinnützigen Tätigkeit bestanden, da die Leistungen für den Zivildienst substantiell waren. Der Verein war mit seiner Betätigung weit mehr als eine bloß formal verwaltende Geschäftsstelle gewesen, denn er hatte den tatsächlichen Verlauf des Zivildienstes maßgeblich beeinflussen können. Damit hatte er Dienste erbracht, die für eine effektive Durchführung des Zivildienstes unerlässlich waren und durch die Hilfseinrichtungen selbst nicht erbracht werden konnten.
Hinweis: Eine Wettbewerbsverzerrung, die einen Zweckbetrieb hätte ausschließen können, lag im Urteilsfall nicht vor, da ein Wettbewerb zu anderen Konkurrenten von vornherein ausgeschlossen war. Nur Verbände konnten vom Bundesamt für die ihnen angehörenden Beschäftigungsstellen mit den Verwaltungsaufgaben beauftragt werden.
Information für: Unternehmerzum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 10/2022)