Entwicklung 2023: Staatsdefizit geht leicht zurück

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Ausgabe von Gutscheinen an Mitarbeiter zu einer Eigenverbrauchsbesteuerung führt. Wenn der sich aus der Gutscheinausgabe für die Mitarbeiter ergebende Vorteil im Vergleich zum Vorteil des Unternehmens von untergeordneter Bedeutung ist, dann ist keine Eigenverbrauchsbesteuerung vorzunehmen, so die Urteilsbegründung. Die Klägerin stellt Flugzeugtriebwerke her. Sie führte ein Mitarbeiter-Anerkennungsprogramm ein, mit dem die besten Mitarbeiter ausgezeichnet und belohnt werden sollten. Das Vorschlagsrecht für die Zuteilung der Prämien oblag den anderen Mitarbeitern des Unternehmens und erfolgte auf der Grundlage rein berufsbezogener Kriterien. Das Programm bestand aus einem dreistufigen Prämiensystem: Die höchste Prämie bestand in einer Barauszahlung, die mittlere Prämie war ein Gutschein und die niedrigste Prämie eine Urkunde. Strittig war lediglich die Ausgabe der Gutscheine im Zusammenhang mit der mittleren Prämie. Erhielt ein Mitarbeiter eine solche Auszeichnung, konnte er sich einen Gutschein über eine Website aus einer Liste von Einzelhändlern aussuchen. Fraglich war, ob diese Gutscheine unter die Eigenverbrauchsbesteuerung fallen. Die Finanzbehörde war der Ansicht, dass hierauf Mehrwertsteuer zu erklären sei. Der EuGH sah dies anders. Die Gutscheinausgabe erfolge nicht nach Maßgabe des privaten Bedarfs der Mitarbeiter, da diese nicht selbst mit Sicherheit eine Zuteilung von Gutscheinen an sich selbst erreichen könnten. Das Vorschlagsrecht für die Zuteilung liege bei den anderen Mitarbeitern des Unternehmens. Zudem sei unstreitig, dass die Gutscheinausgabe ohne Vergütung oder Gegenleistung seitens der begünstigten Mitarbeiter erfolge. Allerdings verschaffe diese Erbringung von Dienstleistungen der Klägerin einen Vorteil in Form der Aussicht auf eine Steigerung ihres Umsatzes aufgrund größerer Motivation und gesteigerter Leistung ihrer Mitarbeiter. Der persönliche Vorteil der Mitarbeiter erscheine als untergeordnet gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens. Die unentgeltliche Zuwendung von Gutscheinen an Mitarbeiter führe somit nicht zur Eigenverbrauchsbesteuerung. Hinweis: Das Urteil ist zunächst zu begrüßen. Allerdings stellt der EuGH keine klaren Kriterien auf, wann die unentgeltliche Gutscheinausgabe als für nicht unternehmensfremde Zwecke gilt. Er stellt auf die Art und das Ziel eines Belohnungsprogramms ab. Daher dürfte der subjektive Wille des Unternehmers zur Einführung eines solchen Programms relevant sein. Aufgrund der subjektiven Argumentation kann dies zu Rechtsunsicherheit führen.       Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 05/2023)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Schreiben zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge bei gemischten Umsätzen herausgegeben. Es hat dabei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus den Jahren 2016 und 2019 berücksichtigt und als für die Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus bindend erklärt. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wurde in diesem Zusammenhang geändert. Wenn ein Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine in Anspruch genommene sonstige Leistung sowohl für Umsätze verwendet, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, dann ist die Vorsteuer aufzuteilen. Der BFH hatte im Jahr 2016 zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Fall eines Blockheizkraftwerks geurteilt. Im Jahr 2019 hatte er entschieden, welche Vorsteuerbeträge aufteilbar sind. Das BMF hat die Rechtsprechung des BFH übernommen und erläutert diese im aktuellen Schreiben. Hinweis: Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn sich Steuerpflichtige für die bis zum 31.12.2022 bezogenen Leistungen auf die bisherigen Regelungen berufen.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 02/2023)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte am 22.06.2022 ein Entwurfsschreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften veröffentlicht, mit dem eine Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vorgenommen werden soll. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) äußert sich in einer aktuellen Stellungnahme hierzu kritisch. Zunächst begrüßt es, dass mit dem BMF-Entwurfsschreiben diverse Klarstellungen und Konkretisierungen vorgenommen werden, die aufgrund der Umsetzung von Artikel 36a der europäischen Mehrwertsteuersystem-Richtlinie in nationales Recht nötig geworden sind. Die deutsche Umsetzung dieses Artikels hatte in der Praxis vor allem durch sprachliche Abweichungen für Unsicherheit gesorgt. Aus Sicht des IDW besteht jedoch weiterer Regelungsbedarf im Hinblick auf die Zuordnung der Beförderung oder Versendung zu einer der Lieferungen eines Reihengeschäfts bei Ausführung durch einen Zwischenhändler. Das IDW regt an, aus Vereinfachungsgründen eine rückwirkende Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) zuzulassen. Die derzeit vorgesehene Regelung führt unter Umständen dazu, dass der Zwischenhändler keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklären darf und der erste Unternehmer in der Kette eine lokale Lieferung erklären muss, selbst wenn die USt-IdNr. des Zwischenhändlers bei Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung vorliegt. Hinweis: Die Stellungnahme ist auf der Homepage des IDW einzusehen. Es bleibt spannend, wie das BMF die Verbesserungsvorschläge des IDW umsetzen wird.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 11/2022)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 01.12.2022 die mit Spannung erwarteten Urteile zur deutschen umsatzsteuerlichen Organschaft veröffentlicht. Er hat die deutschen Regelungen zur Organschaft zwar nicht vollständig gekippt, aber Reformbedarf aufgezeigt. Sowohl der V. als auch der XI. Senat hatten dem EuGH einen Organschaftsfall zur Vorabentscheidung vorgelegt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die deutsche Regelung unionsrechtskonform ist, nach der nicht die Organschaft als solche, sondern nur der Organträger als Steuerpflichtiger bestimmt wird. Der EuGH stellt klar, dass ein Mitgliedstaat den Organträger zum Steuerpflichtigen für die Umsatzsteuer der gesamten Gruppe bestimmen kann. Dies wird damit begründet, dass die Organschaft eine Vereinfachung für die Steuerfestsetzung und -erhebung sei. Es sei dann unerheblich, wer die Verpflichtung zur Abgabe von Erklärungen und zur Entrichtung der Steuer erfülle, sofern dieser Steuerpflichtige in der Lage sei, seinen Willen bei den anderen Gesellschaften der Gruppe durchzusetzen. Bezüglich des Kriteriums der finanziellen Eingliederung bekräftigt der EuGH erneut seine Auffassung - entgegen der deutschen Rechtsprechung -, dass ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis für die Bildung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht zwingend notwendig ist. Zudem müsse bei einer Anteilsmehrheit an einer Organgesellschaft nicht zusätzlich eine Stimmrechtsmehrheit vorliegen. Im Hinblick auf die Selbständigkeit der Organgesellschaften macht der EuGH Angaben, bei denen nicht abschließend klar wird, ob ein Leistungsaustausch zwischen Organkreismitgliedern steuerbar sein kann. Nach seiner Ansicht sollen die Organgesellschaften trotz Eingliederung weiterhin selbständige wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Dies würde zu einer erheblichen Mehrbelastung für umsatzsteuerliche Organschaften beispielsweise aus der Branche der Krankenhäuser, Pflegeheime und Versicherungen führen. Der EuGH hat ferner entschieden, dass die Organschaft auch den nichtwirtschaftlichen bzw. hoheitlichen Bereich des Organträgers umfasst. Das ist insofern bedeutsam, als im hoheitlichen Bereich kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht und die Nichtsteuerbarkeit der Innenleistung zu einer Kostenentlastung durch die Organschaft führt. Hinweis: Die Folgeurteile des Bundesfinanzhofs und etwaige Anpassungen der deutschen Rechtslage bleiben abzuwarten.Information für: Unternehmerzum Thema: Umsatzsteuer(aus: Ausgabe 03/2023)
Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts (Destatis) lag das Finanzierungsdefizit des Staates im Jahr 2023 bei 87,4 Mrd. EUR. Es verringerte sich im Vorjahresvergleich damit um 9,5 Mrd. EUR, da sich die Einnahmen des Staates auf 1.901,8 Mrd. EUR beliefen und damit stärker anstiegen (+ 4,4 %) als die Ausgaben, die 1.989,2 Mrd. EUR betrugen (+ 3,7 %). Gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen errechnet sich für 2023 eine Defizitquote von 2,1 %. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit war 2023 - wie bereits im Vorjahr - vor allem auf das Finanzierungsdefizit des Bundes (79 Mrd. EUR) zurückzuführen. Der insgesamt moderate Anstieg der Einnahmen im Jahr 2023 begründete sich insbesondere mit den leicht gestiegenen Steuereinnahmen (+ 0,7 %). Neben der schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung spielten auch die Entlastungen für die Bürger und die Unternehmen eine Rolle. Hierzu zählten unter anderem Entlastungen auf Basis des Inflationsausgleichsgesetzes, Inflationsausgleichsprämien, die Senkung des Umsatzsteuersatzes bei Gas von 19 % auf 7 % und die Verlängerung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes bei Speisen in der Gastronomie bis Ende 2023. Die Sozialbeiträge nahmen unter dem Einfluss der weiterhin robusten Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Vorjahresvergleich um 6,6 % zu. Deutliche Zuwächse gab es 2023 auch bei den empfangenen Vermögenseinkommen (+ 70,4 %), die überwiegend aus Zinseinnahmen und Ausschüttungen bestanden, und bei den Verkäufen des Staates (+ 10,2 %), zu denen unter anderem Eintrittsgelder für öffentliche Einrichtungen und städtische Gebühren gehörten. Zum Anstieg der staatlichen Ausgaben trugen 2023 insbesondere die monetären Sozialleistungen bei, die aufgrund von Mehrausgaben beim neu eingeführten Bürgergeld und der gesetzlichen Rente im Vergleich zum Vorjahr um 6,8 % zunahmen. Unter dem Einfluss höherer Tarifabschlüsse und steuerfreier Inflationsausgleichsprämien stiegen die Arbeitnehmerentgelte im Vorjahresvergleich um 6,3 %. Die Zinsausgaben des Staates stiegen gegenüber 2022 um 36,2 %.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 05/2024)
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Wer sich eines solchen Delikts schuldig macht, muss mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe rechnen. Spektakulär wird es immer dann, wenn die Behörden eine Person des öffentlichen Lebens als Übeltäter ausfindig gemacht haben, so wie jüngst den Starkoch Alfons Schuhbeck. Er wurde vom Landgericht München I zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Schuhbeck in seinen zwei Münchner Restaurants 5 Mio. EUR aus den Kassen entnommen hatte. Durch Manipulationen am Kassensystem war eine Steuerschuld von 2,3 Mio. EUR entstanden. Da das Bundesministerium der Finanzen zum Ende eines Kalenderjahrs immer Zahlen zu allen möglichen Sachverhalten des Vorjahrs parat hat, gibt es nun auch eine neue Statistik zur Steuerhinterziehung. Demnach wurden im Jahr 2021 bundesweit insgesamt 50.000 Steuerstrafverfahren in den Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter bearbeitet. 3.800 Bußgeldverfahren wurden zudem im Jahr 2021 abgeschlossen. Dabei wurden Bußgelder von rund 56 Mio. EUR festgesetzt. Um "erwischt" zu werden, muss im Übrigen gar keine vollendete Steuerhinterziehung vorliegen: Bußgelder werden unter anderem auch bei leichtfertiger Steuerverkürzung und Steuergefährdung verhängt. Die Steuerfahndung erledigte im Jahr 2021 bundesweit 32.000 Fälle. Dabei wurden Mehrsteuern von rund 2,2 Mrd. EUR festgestellt und Freiheitsstrafen von 1.293 Jahren verhängt. Für das konkrete Strafmaß spielt insbesondere die Höhe der hinterzogenen Steuern eine entscheidende Rolle. Nach den Leitlinien des Bundesgerichtshofs muss bei einer hinterzogenen Steuer von mehr als 1 Mio. EUR eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Hinweis: Sehr viel praxisrelevanter sind natürlich die kleinen Fälle, bei denen niemand ins Gefängnis muss. Hier versetzt die Sachkunde Ihres Steuerberaters Sie in die Lage, dass Sie nicht etwa aus Versehen ein Steuerdelikt begehen.Information für: allezum Thema: übrige Steuerarten(aus: Ausgabe 01/2023)

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